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War die Abschaltung von KINO.to sinnlos? (update)

Piratenpartei empfielt den Unternehmen aus Fehlern zu lernen.



Am 8. Juni 2011 wurde die Domain des Film-Filesharing Portals KINO.to im Auftrag der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) abgeschaltet, sodass die Seite jetzt nicht mehr erreichbar ist und wir uns den Link ersparen können. Nach einer Großrazzia in mehreren Ländern gab es etliche Festnahmen, auch in Deutschland.

Die Piratenpartei kritisiert allerdings, dass hier einmal mehr Symptome bekämpft werden, statt eine echte Reform des Urheberrechts anzugehen. In unserem Artikel 2011 «Don't make me steal - Ein Manifest von Filmliebhabern», den wir am vom 25. Mai 2011 im BAF-Blog veröffentlicht hatten, macht nämlich eine Gruppe von Filmliebhabern auf ihrer Webseite schon seit Längerem konkrete Vorschläge, wie illegale Kopien von Filmen reduziert werden könnten. Darin prangern sie das unbeliebte digitale Rechtemanagement (DRM) an, welches ermöglicht, dass auf offiziellen Download-Portalen oft überteuerte Filme angeboten werden, die obendrein ein Abspielen nur für einen sehr begrenzeten Zeitraum zulassen. Während man Filme aus der Videothek sich x-beliebig oft bei verschieden Freunden auf verschieden Geräten ansehen kann, ist dies bei den Internet-Filmportalen der Firmen und Verleiher meist nicht möglich.

Die Geschäftsidee von KINO.to wollte dies durchbrechen. Anders als bei anderen illegalen Tauschbörsen erstellten die Nutzer von KINO.to beim Streamen und Ansehen der Filme aber weder dauerhaften Kopien, noch verbreiteten sie selbst die Dateien. Dadurch bewegte sich das Portal in einer juristischen Grauzone und wurde täglich von rund vier Millionen Menschen besucht. Beliebt war es vor allem bei Jugendlichen, die sich ihre Filme auf dem Schulhof untereinander empfahlen und somit indirekt austauschen konnten, denn das Format war nicht auf bestimmte Geräte begrenzt, sondern die Filme liefen sogar auf den beliebten Smartphones. Statt Millionen potenzieller Kunden zu verschrecken, sollte die Filmindustrie von Angeboten wie kino.to lernen, empfiehlt die Piratenpartei deshalb. Die Nutzer hätten zivilrechtliche Schadenersatzansprüche der Rechteinhaber kaum zu fürchten, da die Filme und Serien meist nur einmal angesehen wurden. Die Strafgebühren dürften deshalb pro Film kaum höher liegen als der Kauf eines Tickets an der Kinokasse.

Außerdem hält die Piratenpartei es für ein schwerwiegendes Versäumnis der Politik, dass in den letzten 20 Jahren keinerlei Anstrengungen unternommen wurden, das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen. So braucht man sich nicht zu wundern, wenn bald wieder mehr oder weniger illegale Alternativ-Angebote entstehen.
"Diese Aktion war vollkommen sinnlos. Schon bald werden andere kommen und die Lücke füllen", sagt Sebastian Nerz, Bundesvorsitzender der Piratenpartei. "Wahrscheinlich hatten die Betreiber von Kino.to einfach nur Pech. Wären sie in den USA mit ihrer Idee gestartet, hätten sie anstelle von Haftbefehlen eher ein Milliardenangebot von Google erhalten, so wie einst Youtube".

Bereits wenige Stunden nach der Schließung des Zuganges meldeten sich ehemalige Uploader des Portals anonym und kündigten mit umfangreichen Backups eine Fortsetzung an anderer Stelle an. Die populärsten neuen illegalen Portale sind nun movie2k.to und kinox.to. Die Internetadresse kino.to war im Königreich Tonga in der Südsee registriert. Diverse Server standen allerdings in Europa und Russland.

Fast genauso schlimm erging es am nächsten Tag auch der GVU. Ihre Webseite wurde Ziel von Attacken der Gruppe Anonymous und war bald ebenfalls nicht mehr erreichbar. So hatten sich die Ordnungshüter wahrscheinlich ihre eifrige Aktion im Interesse der Filmwirtschaft nicht vorgestellt. Doch auf Machtausübung folgt nicht Ohnmacht, sondern oft unerwartete Gegenreaktion durch großangelegte Cyber-Angriffe. Dagegen ist die Politik dann meist machtlos.

Der Schlag gegen die Raubkopienplattform KINO.to wird in ersten Reaktionen aus der Branche dennoch erwartungsgemäß als großer Erfolg gefeiert. Unter Leitung der Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen (INES) hatten Polizeikräfte in Deutschland, Spanien, Frankreich und den Niederlanden Razzien vollzogen und 13 Personen wurden verhaftet. Alleine in Deutschland durchsuchten über 250 Polizisten und Steuerfahnder sowie 17 Datenspezialisten zeitgleich über 20 Wohnungen, Geschäftsräume und Rechenzentren. Die Justiz rechnet allerdings damit, dass sich die Ermittlungen gegen die Hintermänner von kino.to über Monate hinziehen werden.

(U P D A T E vom 14.06.11)
Die GVU vertritt allerdings die Auffassung, dass auch das Nutzen der Kino.to-Streams strafbar ist.
"Eine höchstrichterliche Klärung zur Strafbarkeit des Nutzens von illegalen Film-Streams liegt zwar noch nicht vor."
Dennoch vertritt die GVU die Auffassung, dass das Anschauen eines Streams illegal ist:
"Auf dem Endgerät des Nutzers erfolgt stets eine vorübergehende Speicherung. Sie wird durch den Nutzer ausgelöst und liegt in seinem Machtbereich. Mittels geeigneter Werkzeuge ist es zudem möglich dauerhafte Kopien anzufertigen."
Nun müssen die Richter entscheiden ob die Nutzung der 'geeigneten Werkzeuge', oder allein schon das Streamen strafbar ist.

Im Zuge der Diskussion um das Digital Rights Management (DRM) meldete sich Richard Stallman, der Gründer der Freie-Software-Bewegung zurück und erklärt in einem Artikel, den er auf seiner Website veröffentlicht hat, die Gründe, weshalb er gegen DRM und somit auch gegen E-Books ist, die er zu boykottieren versucht. Die Art und Weise, wie E-Books heutzutage gehandhabt würden, stelle eine unzulässige Einschränkung der Freiheit der Leser dar, schreibt er. Tatsächlich muss ein Käufer, der beispielsweise bei Amazon ein E-Book kauft, seinen Namen nennen. Wenn er es dann gekauft habe, müsse er eine Lizenz sowie ein digitales Rechtemanagement akzeptieren, die bestimmte Nutzungen ausschließe, etwa das E-Book zu kopieren. Um es lesen zu können, brauche er eine proprietäre Software. Der Händler hat dagegen die Möglichkeit die Lizenz jederzeit wieder dem Käufer zu entziehen und sogar die Bücher von Ferne auf dem E-Book zu löschen, auch wenn der Käufer das Buch noch nicht zu Ende gelesen hat.

Dies hat es in der Vergangenheit bereits gegeben und verursachte einen Sturm der Entrüstung, wofür sich Amazon allerdings entschuldigt hat. Gleiches ist aber bei allen anderen elektronischen Medien - darunter auch Film - jederzeit zu befürchten. Immer häufiger versuchen nämlich die Film-Majors das teure Angebot an kostenpflichtigen Filmdownloads zeitlich zu beschränken. Das gilt sogar für Kinos, die bei erfolgreichen Filmvorführungen, für eine Verlängerung der gemieteten Filme, extra zur Kasse gebeten werden.

Der Siegeszug des digitalen Kinos und der digitalen Medien wird dennoch nicht aufhaltbar sein. Vor allem auf Reisen ist es ein unschätzbarer Vorteil alle Bücher, Zeitungen und Filme unterwegs jederzeit griffbereit auf einem kleinen, aber brillianten Touch-Screen zur Verfügung zu haben. Das macht das Fluggepäck deutlich leichter, als wenn man eine Unmenge an schwerer und sperriger Lektüre mitschleppen müsste.

Quellen: Golem | Piratenpartei | Blickpunkt Film | Tagesspiegel

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Kommentare

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Alexander am :

Die Abschaltung war mehr als sinnlos! Hab heute wieder eine ähnliche Seite gefunden: film-blog.5x.to.. Das ganze müsste man irgendwie anders anpacken..

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