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Fazit zum Visionär Film Festival Berlin und unsere ersten Filmkritiken im Mai 2018

Rückblick auf das Visionär Filmfestival und drei neue, reguläre Filmstarts.



In der Filmstadt Berlin Visionen zu haben, kann durchaus schwer sein, diese auf Anhieb erfolgreich umzusetzen. Schon zum zweiten Mal lockte Francesca Vantaggiato Filmfans zu ihrem Visionär Filmfestival mit deutschen Erstaufführungen und Berliner Premieren von herausragenden internationalen Independent Werken ins City Kino Wedding sowie ins Neuköllner Il Kino und ins ACUDkino in Berlin-Mitte.

Gezeigt wurden Spielfilme, Dokus und zahlreiche Kurzfilme. Letztere stammten im Gegensatz zu den internationalen Langfilmen vornehmlich von deutschen Filmemachern. Präsentiert wurden diese zu einer Zeit, in der Kurzfilmfans eigentlich ihren Blick auf die 64. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen richten, dem weltweit größten und ältestem Kurzfilmfestival, das heute zu Ende geht. Wir werden aber erst in den nächsten Tagen über die Ergebnisse von Oberhausen berichten, wenn die Ergebnisse der Jury-Entscheidungen uns vorliegen.

Dass es kein leichter Weg sein würde, mit einem Neustart eines Festivals oder eines kleinen Kinos, das richtige Publikum zu erreichen, hat auch Juror Christos Acrivulis erst kürzlich schmerzhaft erfahren müssen. Sein erst vor einem Jahr - nach langem Stillstand - wieder eröffnetes Klick Kino in der Charlottenburger Windscheidstraße musste wieder schließen. Nicht jedoch weil das Publikum fehlte, sondern weil der Vermieter - wie so oft - andere Pläne hat. Nun ist in Schöneberg beim Theater O-Ton-Art in der Kulmer Str. 20a ein neuer Start des Klick-O-Ton-ART im Mai erfolgt. Schwerpunkt werden neben dem weiter existierenden Theatervorstellungen an drei Tagen in der Woche u.a. Filmvorführungen mit Filmgesprächen sein, nach denen sich ein Teil des Publikums sehnt.

Den Anfang machte Max Riemelt und präsentierte den staunenden Zuhörern Uwe Frießners 1984 gedrehtes Kriminalfilm-Drama "BABY" über einen Karatekämpfer in der Berliner Disco-Unterwelt, wo jener als Rausschmeißer arbeitet. Auch wenn das Theater nur zur Hälfte gefüllt war, wurde bis spät nachts diskutiert. Hier das sieben Minuten lange (leider mit falschem Vornamen beschriftete) Intro:



Im Falle des Visionär Filmfestivals, spielte dagegen das Wetter einen Streich, denn der April macht was er will. Schöne warme und sonnige Tage sind leider nicht die besten Voraussetzungen für gut frequentierte Nachmittagsvorstellungen. Erst am Abend kam das geneigte Publikum und füllte langsam die Kinos. So dürfte es schwer gewesen sein, einen objektiven Publikumsgewinner für einige der herausragenden Werke ausfindig zu machen, weil diese Filme in Berlin zum Teil leider nur von sehr wenigen Zuschauern gesehen wurden, obwohl es sich um Premieren handelte.

Auf den spanischen Film "JíšLIA IST" von Elena Martí­n, der am Samstag Abend, den 5. Mai 2018 um 20:30 Uhr vor gut gefülltem Haus im City Kino Wedding lief, trifft dies allerdings nicht zu. Am Ende gab es frenetischen Applaus. Einige Darsteller und der Produzent waren anwesend und stellten sich den Fragen des Publikums.

Erstaunlich ist, dass dieser von einer spanischen Filmstudentin gemachte Film weder bei den Sehsüchten, dem Filmfestival der Studierenden in Potsdam-Babelsberg, noch beim achtung berlin - new berlin film award lief, denn der Film wurde zum großen Teil in Berlin gedreht und spielt die meiste Zeit auch in dieser Stadt. Hier der Trailer:



Ausgezeichnet wurde das Werk über eine Architekturstudentin aus Barcelona, die für ein ERASMUS Jahr nach Berlin zieht, schon bei seiner Erstaufführung auf dem Malaga IFF. Ein Kinostart ist bisher in Deutschland leider nicht vorgesehen, weshalb wir über eine ausführliche Rezension verzichten. Gefallen hat er uns dennoch und auch dem Publikum, das dafür im Voting die meisten Stimmen vergab.

Die Jurypreise wurden gestern Abend von Juror Christos Acrivulis in der Neuköllner Kneipe OBLOMOV verkündet und gingen an "MEDEA" aus Costa Rica von Alexandra Latishev Salazar, den wir leider nicht gesehen haben. Es ist ein Film über eine verzweifelte junge Frau, die sich von ihrer Umwelt abkapselt. Nur sie allein weiß in ihrer Einsamkeit, dass sie schwanger ist. Hier der Trailer:



Den zweiten Preis bekam die eindrucksvolle griechisch-polnische Koproduktion "PARK" von Sofia Exarchou über herumlungernde Jugendliche aus sozialschwachem Milieu, die sich auf dem heruntergekommenen, ehemaligen Olympiapark-Gelände von 2004 in Athen die Zeit vertreiben. Hier der Trailer:



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Wir hoffen auf eine weitere Ausgabe des Visionär Filmfestivals im nächsten Jahr und wenden uns nun jenen Filmen zu, die gerade bundesweit in den Kinos angelaufen sind.



"ELEANOR & COLETTE" Biopic-Drama von Bille August (Deutschland, Belgien). Mit Helena Bonham Carter, Hilary Swank, Jeffrey Tambor u.a. seit 3. Mai 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Eleanor Riese (Helen Bonham Carter) leidet an paranoider Schizophrenie. Systematisch hat man ihr eingeredet, dass sie nur mit der Einnahme starker Medikamente, überleben kann. Seit Jahren wird sie ruhig gestellt. Die ihr verabreichte Medikation ist viel zu hoch eingestellt. Die Nebenwirkungen sind fatal. Seit langem fordert sie mitzubestimmen, in welchem Mass sie die ihr verordneten Tabletten nimmt. Und wieder bekommt sie einen Tobsuchtsanfall, weil man ihre Bitte ignoriert. Man wirft sie buchstäblich in einen kalten Raum, ohne Toilette, ohne Mobiliar. Sie nässt sich ein, halluziniert, schreit und tobt. Für das Klinikpersonal ist sie durch und durch verrückt. Sie wendet sich an die Patientenrechtshilfe und erreicht, dass sich eine Anwältin ihrem Fall annimmt.

Man stellt ihr Colette Hughes (Hilary Swank) an die Seite, die den tragischen Fall mit aller Vehemenz vor Gericht bringt. Laut Gesetz haben auch Psychiatriepatienten ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung.

Was den Fall besonders tragisch macht ist, dass man der jungen Eleanor schon in der katholischen Schule eingeredet hat, dass ihre Anfälle ein Werk des Teufels sind. Sie hat panische Angst nach ihrem Tod nicht in den Himmel zu kommen.

Regisseur Bille August ("Lauf, Junge, Lauf") konzentriert sich in dieser wahren Geschichte besonders auf die beiden Frauen, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein können. Auf der einen Seite, die sarkastische, distanzlose und liebenswert skurrile Eleanor, auf der anderen Seite die distinguierte, aufopferungsbereite Colette, die früher mal Krankenschwester war und wahrscheinlich auch deswegen, der „Verrückten“ besonders beisteht. Eleanor deren Gefühlswelt keine feinen Nuancen kennt, kann äußerst aufbrausend sein. Trotz so mancher Anstrengung, behält Colette die Nerven. Sie setzt fast ihre Beziehung in den Sand, weil Eleanor ziemlich fordernd, die ganze Person in Beschlag nimmt.

Das packende Gerichtsdrama spielt in den Achtzigern. Die Thematik ist bis heute durchaus brisant und wichtig. Das Zusammenspiel der beiden Hauptdarstellerinnen ist berührend anzusehen. Besonders, wenn die beiden Frauen in bester Kampfeslaune ihre Überzeugung gemeinsam gegen Pharmalobby und Ärzteschaft, bis zum obersten Gerichtshof durchsetzen.

Ulrike Schirm


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"HERRliche ZEITEN" Dramödie von Oskar Roehler (Deutschland). Mit Katja Riemann, Oliver Masucci, Samuel Finzi u.a. seit 3. Mai 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Nach einem satirischen Roman mit dem Titel „Subs“ von Thor Kunkel hat Oskar Roehler seinen Film „Herrliche Zeiten“ gedreht. Das Buch, sowohl als auch der Film, schildern die Instrumentarien des modernen Sklaventums.

Der Schönheitschirurg Claus Müller-Todt (Oliver Masucci) und seine Frau, die Gartenarchitektin Evi (Katja Riemann) haben ihre gepflegte Villa günstig bei einer Zwangsversteigerung erworben.

Aus einer alkoholisierten Laune heraus, gibt Müller-Todt eine Anzeige auf, die da lautet: „Sklave/in“ gesucht. Seine Frau, die unter Schock steht, da sie zufällig mit ansehen musste, wie ein Immobilienspekulant vor ihren Augen in den Tod stürzte, hat sich erstmal krank schreiben lassen. Um sie zu entlasten, muss eine Hausangestellte her.

Das eine Truppe schwarz gekleideter Ledertypen und Lederfrauen, sowie man sie von den Berliner Folsom-Tagen kennt (Insider wissen wovon ich rede) vor der Tür steht, damit hat Müller-Todt nicht gerechnet. Seine Frau ist schockiert. Er schickt die Meute schleunigst wieder weg.

Einen Tag später erscheint ein Mann, der die Anzeige „Putzsklave gesucht“, offensichtlich richtig verstanden hat.

Er sucht eine Arbeit, bei der er Menschen dienen kann, die es wert sind, gibt er zu verstehen. „Ich lege keinen Wert auf Bezahlung, Unterkunft und Verpflegung reichen mir, Hauptsache ich mache eine menschenwürdige Arbeit“.

Sie entscheiden sich für den äußerst kultiviert erscheinenden Mann (Samuel Finzi), handeln mit ihm eine Probezeit aus und genießen die Annehmlichkeiten, die er ihnen bietet. Bartos, so nennt er sich, tischt die aller feinsten Gerichte auf. Anfangs spürt Evi sichtbares Unbehagen, als bei jeder ihrer Bitten der Satz „zu Befehl Herrin“ fällt. Claus hingegen findet es völlig normal und genießt es.

Als Bartos die Probewoche bestanden hat, taucht seine junge, bildhübsche Frau Lana (Lize Fryn) auf, die Evi von nun an mit Thalasso-Therapien versorgt.

Bartos schlägt vor, für Evi einen Swimmingpool bauen zu lassen. Dafür heuert er einen Trupp bulgarischer Schwarzarbeiter an. Die tummeln sich jetzt Tag und Nacht im Garten.

„Ich mag es nicht, wenn die Bulgaren mir durch die Scheibe beim Essen zuschauen. Weg damit“ brüllt Müller-Todt verärgert.

In der Villa nebenan wohnt der Diktator-Sohn Mohammed Al Thani (Yasin El Harrouk), zu dessen Motto-Parties die Müller-Todts eingeladen werden. Bei dem Anblick von diversen Folterfotos, wird sogar dem abgebrühten Claus schlecht. Evi fühlt sich von Anfang an unwohl und will nach Hause.

Die Situation im Hause Müller-Todt verfinstert sich. Evi will nicht weiter mit ansehen, wie ihr Mann sich in der Rolle des Herrenmenschen von Tag zu Tag wohler fühlt. Sie beschließt wieder arbeiten zu gehen und fordert Bartos und seine Frau auf, das Haus zu verlassen. Spätestens jetzt merkt man, dass Bartos nicht so selbstlos handelt, wie er vorgegeben hat. Die Situation eskaliert ins Groteske, wobei Al Thani kräftig mitmischt.

Masucci, der im Film sein Geld überwiegend mit Fettabsaugen verdient, in schrill-bunten Klamotten rumläuft, bei jeder Gelegenheit sein widerlich vollfettes Lachen ertönen lässt, ist nichts weiter als ein proletenhafter Neureicher, der sich in seiner gewissenlosen Herrenmenschenrolle so richtig gehen lässt. Spätestens im letzten Drittel, vergeht einem das Lachen. Der anfänglich noch bitterböse Blick auf eine saturierte Gesellschaft, die für ihre Interessen „über Leichen geht“, verflacht zusehends. Die Figuren sind derart überzogen, dass man sich in ihnen nicht wiederfindet, stattdessen nur noch über sie lacht.

Ulrike Schirm


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"NO WAY OUT (Gegen die Flammen)" Biopic-Drama von Joseph Kosinski (USA). Mit Josh Brolin, Miles Teller, Jeff Bridges u.a. seit 3. Mai 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Das sogenannte "Yarnell Fire" war ein riesiger Waldbrand, der am 28. Juni 2013 durch einen Blitzschlag auf einem Gebirgskamm der Wever Mountains bei Yarnell, Arizona, USA ausgelöst wurde.

Es war eines der verheerendsten Unglücke in der Geschichte der amerikanischen Feuerwehr, bei dem 19 Feuerwehrmänner der Granite Mountain Interagency Hotshot Crew ums Leben kamen.

Regisseur Joseph Kosinski schildert in seinem Film „No Way Out“ den Alltag dieser furchtlosen Elitetruppe, ohne sich in kitschige Gefühlsduseleien zu ergehen. Sein Hauptaugenmerk liegt auf den familiären Konflikten und ihren persönlichen Krisen.

„Im Zeitalter der Superhelden stehen in "NO WAY OUT: GEGEN DIE FLAMMEN" wahre Helden im Mittelpunkt“, betont Kosinski. „Es geht um Zusammenhalt, um Opfer und Rettung-alles vor dem Hintergrund eines Waldbrands“.

Hotshots werden die Spezialeinheiten genannt, die an vorderster Front Brände bekämpfen. Sie gehen nicht mit Wasser gegen die Brände vor, sondern mit Flammenwerfern. Sie schaufeln Gräben, fällen Bäume und entzünden kontrolliert Feuer, um den Brand einzudämmen.

Eric Marsh (Josh Brolin) ist einer von ihnen. Er ist Feuerwehrmann mit Leib und Seele. Er bildet seine Truppe gerade zur Hotshot Elite Crew aus. Im Normalfall dauert das Training Jahre.

„Genießt noch die herrliche Aussicht. Nach eurem ersten großen Einsatz, seht ihr hier nur noch Brennstoff“, sagt er zu den Männern.

Brendan (Miles Teller) der nach jahrelangem Drogenmissbrauchs und dessen Freundin schwanger ist und sich von ihm getrennt hat, versucht sein Leben auf die Reihe zu kriegen. Es ist Marsh, der ihm eine Chance gibt. Von der Machotruppe wird sein Einsatz misstrauisch beäugt. Kleine Sticheleien muss er sich hin-und wieder gefallen lassen. „Rekruten schikanieren ist okay”¦ aber Familie ist tabu“. Im Grunde ihres Herzens wissen sie genau, dass, wenn man gemeinsam durchs Feuer geht, bedingungsloses Vertrauen und gegenseitiger Respekt unabdingbar sind. Es dauert nicht lange und Brendan ist einer von ihnen. Anfangs gaben sie ihm den Spitznamen „Donut“, weil er als komplette Null zu ihnen stieß. Seine Mutter hat ihn rausgeschmissen, das Hotshot-Bootcamp war die einzige Alternative zur Entzugsklinik.

Jennifer Conelly spielt Amanda Marsh, die Ehefrau von Eric. Sie arbeitet als Hufschmiedin, kümmert sich um die gemeinsame Ranch, wenn ihr Mann bei Einsätzen ist. Sie ist selbstbewusst und unabhängig. Man spürt, dass die beiden eine starke Liebe verbindet. Doch ihre Ehe ist belastet durch die lebensgefährlichen Einsätze ihres Mannes und seine über Wochen dauernde Abwesenheit.

Auch ihr Wunsch nach einem Kind bleibt unerfüllt. Die Verantwortung will ihr Mann wegen seines lebensgefährlichen Berufes nicht übernehmen.

Sowie Eric eine Vaterfigur für Brendan ist, ist Duane Steinbrink (Jeff Bridges) eine Art Vaterfigur für Eric. Steinbrink ist der Chef der Feuerwache und ist Erics Marshs Mentor. In seiner Freizeit gehört er zu einer Cowboy Band, die sich „The Rusty Pistols“ nennt. Publikumshit ist der Song: “Ghost Riders in the Sky“. Der Rest der Crew setzt sich aus den unterschiedlichsten Charakteren zusammen, die alle eines eint: Sie sind Teil einer Truppe, die täglich ihr Leben aufs Spiel setzen, um andere zu retten und nicht nur das, sondern auch ganze Ortschaften.

Mit seinem Kameramann Claudio Miranda (Life of Pi) erschafft Kosinski eindrucksvolle und gewaltige Bilder, die nicht nur die unbeschreibliche Schönheit der Natur zeigen, sondern auch ihre zerstörerische Macht.

„No Way Out“ ist keins von diesen übertriebenen Heldenepen, sondern eine unsentimentale Erinnerung an die mutigen, unvergesslichen Helden der Brandbekämpfung.

Ulrike Schirm





















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