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Neue Filme im Kino zum Jahreswechsel

Filmbesprechungen von Isolde Arnold, Wolf Friedel und Ulrike Schirm.



Wie von uns schon ausführlich am 26.12.2016 mit Trailer vorgestellt und von Isolde Arnold besprochen, startete gestern, den 29.12.2016, bundesweit in den Kinos der italienische Film "DIE ÜBERGLÜCKLICHEN" von Paolo Virzi.

Heute lassen wir noch einmal Ulrike Schirm zu Worte kommen, die neben einem weiteren Filmstart auch zwei lohnenswerte Filme bespricht, die bereits am 22. Dezember 2016 ihren Kinostart hatten, aber auch über den Jahreswechsel hinaus noch zu sehen sein werden. Darüber hinaus hatte Ulrike Schirm in einem bei uns eingestellten Videoclip drei weitere Filme in ihrem Jahresrückblick erwähnt, die erst demnächst zu sehen sein werden.

"NOCTURNAL ANIMALS" von Tom Ford: Seit 22.12.2016 im Kino.

Als Tom Ford`s Film „A Single Man„ 2009 in die Kinos kam, dachte man anfangs, das kann ja nichts werden. Ein Modemacher macht einen Film”¦.naja. Dann das: Der Film wurde mit Preisen überschüttet. Hauptdarsteller Colin Firth wurde für den Oscar nominiert. Jetzt hat der Designer einen neuen Film gestartet. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Nocturnel Animals“ böse, dunkel, verstörend, genial. Susans (Amy Adams) Ehe ist gescheitert. Die mondäne Galeristin erhält eines Tages ein Paket von ihrem Ex  Edward (Jake Gyllenhaal). Es enthält das Manuskript seines Romans 'Nocturnal Animals' mit einer Widmung speziell an sie.

Verstörend schon das Anfangsbild. Fette wabbelnde nackte Frauenkörper die sich tanzend in Zeitlupe bewegen bei der Vernissage ihres neusten künstlerischen Projekts.

Als ihr untreuer Gatte sich angeblich auf eine Geschäftsreise nach N.Y. begibt, zieht sie sich ungestört in ihre Luxusvilla in L.A. zurück und vertieft sich, immer stärker gefesselt, in die Seiten des Romans.

Sie hat Edward damals auf eine brutale Art verlassen. In seinem Roman kommt er zurück und erlebt den Schmerz auf die gleiche Weise, wie sie es ihm angetan hat. Eigentlich sind es zwei Filme, die Ford raffiniert elegant miteinander vermischt.

Jede Einstellung ist sorgfältig komponiert. Ford, ein Perfektionist, der offensichtlich nichts dem Zufall überlässt. Er kreiert Bilder, von beeindruckender Ästhetik und beim genaueren hinsehen, abstoßend zugleich. Bilder, denen man sich schwer entziehen kann.

Susan taucht ein und mit ihr der Zuschauer in eine Familie die nachts, auf dem Highway zufällig zum Opfer dreier Psychopathen wird. Immer mehr wird sie an ihre eigene Vergangenheit , an die gemeinsame Zeit mit Edward erinnert. Die quälende Geschichte, der man sich kaum entziehen kann, trifft sie und den Zuschauer tief ins Mark. Ford: „Das Publikum soll und muss den Schmerz spüren, den sie ihrem Mann angetan hat.“ Die Botschaft dieser meisterhaften Parabel lautet: Man darf Menschen nicht einfach wegschmeißen.

Ulrike Schirm

"ALLIED – VERTRAUTE FREMDE" von Robert Zemeckis: Seit 22.12.2016 im Kino.

1942 kam Casablanca in die Kinos. Das Melodram berührte die Welt. Kein Film ist bisher öfter zitiert worden als Michael Curtiz` Meisterwerk. Dank Humphrey Bogart und Ingrid Bergman ein unvergesslicher Klassiker.

Es dauert keine zehn Minuten und man wird in der Kriegstragödie „Allied – Vertraute Fremde“, Liebesdrama und Thriller zugleich, an diesen unvergesslichen Film erinnert. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Casablanca 1942. Nordafrika im Zweiten Weltkrieg. Die Résistance-Kämpferin Marianne (Marion Cotillard) und der britische Agent Max (Brad Pitt) zwei Fremde, geben sich als Paar aus.

Ihr lebensgefährlicher Auftrag: Die Ermordung des deutschen Botschafters. Auftrag erledigt.

Anstatt sich, wie vorgesehen zu trennen, verlieben sie sich ineinander, heiraten, flüchten nach London, und bekommen eine Tochter. Max erfährt, dass seine Frau eine Doppelagentin sein soll und in Wahrheit für die Nazis arbeitet. Nun lautet sein Auftrag: Marianne wegen Verrats zu eliminieren. Der mutmaßliche Verrat und die Liebe zu ihr stürzen ihn in eine unerträgliche Zerreißprobe.

Regisseur Robert Zemeckis erinnert mit seiner nostalgischen Inszenierung an die großen Dramen der Vierziger. Das perfekt gedrehte Katz- und Mausspiel lebt von der fast greifbaren Spannung der beiden Hauptdarsteller. Diesem bildschönen Paar schaut man fasziniert zu. Das Drehbuch stammt aus der Feder des Engländers Steven Knight (Tödliche Versprechen – Eastern Promises). Die Schlagzeilen der Boulevardpresse, dass es angeblich zwischen den beiden kräftigt gefunkt haben soll, lasse ich mal außer acht. Diesen billigen Werbetrick braucht der Film nun wirklich nicht. In diesem Old – School – Romantik – Thriller geht es in erster Linie um große Gefühle, Liebe und Intuition.

Ulrike Schirm

LOVE & FRIENDSHIP von Whit Stillman: Seit 29.12.2016 im Kino.

Für die Jane-Austin-Literaturverfilmung "LOVE & FRIENDSHIP" wurde mit Kate Beckinsale offensichtlich die ideale Hauptdarstellerin gefunden. Mit ihrer schlanken Gestallt passt sie hervorragend in die eng zugeschnürten Korsettröcke. Zuletzt musste die Schauspielerin im hautengen Lack-und-Leder-Outfit in der nicht enden wollenden "UNDERWORLD"-Reihe Werwölfe niedermetzeln. Nun darf die 43-jährige Britin ihren Charme als Lady Susan in klassischen Kostümen irgendwann um 1800 ausspielen und gibt dabei unter der Regie von Whit Stillman eine hervorragende und zugleich witzige Figur ab. Hier der Trailer:



Zum Inhalt:
Die schöne Witwe Lady Susan Vernon besucht das Anwesen ihrer Verwandtschaft und quartiert sich bei Charles Vernon (Justin Edwards), dem Bruder ihres verstorbenen Mannes ein, um dort die in der gehobenen Gesellschaft kursierenden, skandalträchtigen Gerüchte über ihre Affären auszusitzen. Während sie sich dort versteckt hält, schmiedet sie Pläne, um für sich selbst sowie für ihre heiratsfähige, aber widerwillige Tochter Frederica jeweils einen passenden Ehemann zu suchen und dadurch ihrer beider Zukunft zu sichern. Lady Susan erregt dabei die Aufmerksamkeit gleich dreier Männer: sowohl des jungen und attraktiven Reginald DeCourcy (Xavier Samuel), dem Bruder der Hausherrin Catherine (Emma Greenwell), als auch des reichen, aber etwas einfältigen Sir James Martin sowie des äußerst gut aussehenden, jedoch verheirateten Lord Manwaring. Dieser Umstand verkompliziert die Angelegenheiten deutlich. Nach Ansicht ihrer Schwägerin ist die völlig unmögliche Frau doch nur darauf aus, sich schnellstmöglich wieder einen zahlungskräftigen Ehemann zu angeln.

Welche Intrige Lady Susan auch spinnt, welche Gemeinheit sie auch ausheckt, immer weiß die gerissene Dame sich mit scharfer Zunge zu rechtfertigen und die Dinge zu ihren Gunsten zu drehen. Und so sehr man sie und ihr boshaftes Tun auch verachten möchte, kommt man als Zuschauer nicht umhin, die überaus selbstbewusste Witwe zu bewundern. Kate Beckinsale jedenfalls genießt es sichtlich, diese starke, vielschichtige Rolle zu spielen, und das Publikum genießt es, ihr dabei zuzusehen, auch wenn die Zeit für solche Historienfilme eigentlich vorbei ist. Trotz der hervorragenden Hauptdarstellerin bleibt angesichts manch einfältiger Worte ihrer Verehrer ein fader Geschmack übrig. Dennoch ist es Stillman gelungen, sich mit den Regeln, welche die Gesellschaft im Laufe der Zeit hervorbringen, aber gleichzeitig auch immer wieder einengen, intensiv auseinanderzusetzen und im Kino sowohl zu verfeinern wie auch zu ironisieren.

W.F.

"EINFACH DAS ENDE DER WELT" von Xavier Dolan: Seit 29.12.2016 im Kino.

In seiner grandiosen Theaterverfilmung "Einfach das Ende der Welt" setzt sich der Frankokanadier Xavier Dolan wieder einmal mit Familienkriegen auseinander. Obwohl in diesem Film bei eskalierenden Tischrunden viel gesprochen wird, kann Kommunikation auch zu einer Qual werden, sowohl für die Zuschauer wie auch für die Protagonisten. In diesem Momenten schwenkt die Kamera weg und Blicke in die Landschaft lenken von den Spannungen ab. Dadurch werden die Gefühle des todkranken, verlorenen Sohns, des Schriftsteller Louis, der nach 12 Jahren zu seiner Familie zurückkehrt, viel besser ausgedrückt. Manchmal genügt ein phänomenal schöner Film wie dieser, um zehn oder zwanzig andere, hässliche Werke vergessen zu lassen. Hier ein weiterer Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Nach „Sag nicht wer du bist“ hat das kanadische Regiewunder Xavier Dolan (27) zum zweiten Mal ein Theaterstück verfilmt. Das aufwühlende Stück des Gegenwartsdramatikers Jean Luc Lagarce, auf dem der Film basiert, hat er seine eigenen Erfahrungen verarbeitet. Fünf Jahre nach Erscheinen, starb er 1995 mit nur 38 Jahren an Aids.

Der Schriftsteller Louis (Gaspard Ulliel) kehrt nach 12-jähriger Abwesenheit zurück in sein Elternhaus, um seiner Familie mitzuteilen, dass er an einer tödlichen Krankheit leidet. Seine langjährige Abwesenheit hat man ihm nie verziehen. Weder seine grell geschminkte Mutter (Nathalie Baye) noch sein Bruder (Vincent Cassel) auch nicht seine jüngere Schwester (Léa Seydoux). Nur die Frau seines Bruders (Marion Cotillard) steht ihm ohne Groll gegenüber. Die Familie reagiert auf seine Ankunft nervös und hyperaktiv. Gegenseitige Anschuldigungen und über Jahre angestaute Verletzungen und bittere Enttäuschungen stehen im Raum. Louis, der immer wieder verzweifelt ansetzt, sich zu erklären, wird von den egozentrischen Ausbrüchen und den verbalen Attacken buchstäblich „totgequatscht“. Diesem heillosen Chaos der Gefühle geht Dolan ganz dicht auf die Spur, indem er mit der Kamera die Gesichter seiner Protagonisten in Großaufnahme zeigt und sie damit in eine fast klaustrophobische Enge treibt. Je lauter und aggressiver sie werden, desto klarer wird ihre grenzenlose Unfähigkeit jeglicher Kommunikation. Zum ersten Mal arbeitet Dolan mit großen Stars des französischen Kinos zusammen. Welch ein Glück, denn so sieht man diesen teilweise unsympathischen und gefühlsarmen Personen irgendwie gerne zu. In jeder Einstellung fühlt man, mit welchem Herzblut Dolan dieses Wechselbad der Gefühle über diese Familie die sich an die Gurgel geht, inszeniert hat. Ein Familientreffen gerät außer Kontrolle, genährt durch die Wut auf Louis Stücke, in denen sie sich wieder finden, seinen Weggang in eine andere Welt und sie, die Daheimgebliebenen, zurückgelassen in ihrem engen, biederen Alltagsdasein. Allein Catherine, die Frau seines Bruders reicht ihm zum Schluss die Hand. Aber auch das ist kein Trost. Louis verlässt schweigsam das Haus. “Home Is Where it Hurts”, singt Camille am Anfang des verstörenden Films.

Ulrike Schirm

Quellen: Passauer Neue Presse | critic.de | Tagesspiegel | Ulrikes Blog

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