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Neu im Kino: CAPTAIN FANTASTIC und noch mehr

Ulrike Schirm hat sich vier sehr unterschiedliche Filme mit familiären Problemen angesehen.

CAPTAIN FANTASTIC : seit 18.08.2016 im Kino

Ben (Viggo Mortensen) und seine Familie leben abgeschnitten von der Außenwelt. Er und seine sechs Kinder haben sich aus der von ihm verhassten Zivilisation in die Wildnis zurückgezogen. Er bringt ihnen bei, wie man mit einfachen Mitteln in der freien Natur überleben kann. Sie feiern den “Noam Chomsky-Day“ an dem jedes der Kinder ein Jagdmesser bekommt, ein wichtiges Utensil, mit dem sie lernen Wild zu erlegen, um für Nahrung zu sorgen. Hier der Trailer:



EIN BISSCHEN ANARCHIE, SCHADET NIE!
Es gibt keine Schulpflicht, die Kinder werden zu hause unterrichtet. Sie machen gemeinsam Musik und jede noch so aberwitzige Frage wird ernsthaft beantwortet. Auch die Kleinsten lernen frühzeitig Gelerntes nicht nur auswendig nachzuplappern, sondern sich Gedanken darüber zu machen und ihre eigenen Worte zu finden. Ein paradiesischer Hippietraum, in dem so Worte wie Coca Cola nicht vorkommen. Nach dem Suizid der Mutter, macht sich Ben mit den Kindern auf den Weg in die Zivilisation. Sie wollen gegen alle Widerstände, die Mutter auf ihre ganz eigene Art beerdigen. Das unerwartete Auftauchen der jungen „Wilden“ löst bei den Verwandten nicht gerade große Freude aus. Fest verwurzelt in ihrer konsumorientierten Lebensstruktur, stößt Ben mit seiner Art zu leben auf fassungsloses Unverständnis und sorgt für großen Aufruhr. Regisseur und Drehbuchautor Matt Ross hat einen der schönsten Filme dieses Sommers auf die Leinwand gebracht. Es sind vor allem die Kinder, die einen nicht nur berühren, sondern auch zum Staunen bringen. Besonders das Jüngste dieser Rasselbande bringt einen immer wieder zum Schmunzeln. Diese Aussteigerfamilie ist so liebenswert „gezeichnet“, dass einem das Herz aufgeht. Eine Familie, die den Traum von einer besseren und gerechteren Welt, mit allen Konsequenzen lebt und dabei ein ganz besonderes Glück erlebt, von dem die Stadtkinder, mit ihren „Helicopter-Eltern“ ganz, ganz weit entfernt sind. Bens großes Vorbild: „Noam Chomsky. Dieser bezeichnet sich als einen Libertären Sozialisten (synonym mit Anarchismus). Er ist ein scharfer Kritiker der US-amerikanischen-Außen-und Wirtschaftspolitik“. (Wikipedia).

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WILLKOMMEN IM HOTEL MAMA : seit 11.08.2016 im Kino

Spaßig ist es nicht, wenn man als erwachsene Tochter Job und Wohnung verliert und wieder in sein verlassenes Kinderzimmer zurückziehen muss. Hier der Trailer:



DER NR.-1 HIT AUS FRANKREICH!
Auch für die verwitwete Mutti wird es schwierig. Für sie heißt es jetzt, ihren Liebhaber nach allen Regeln der Kunst zu verstecken und die Treffen mit ihm geheimnisvoll zu gestalten. Für die zwangsweise heimgekehrte Tochter ist es auch nicht leicht, denn wie Mütter nun mal sind, die gestandene Frau wird wieder mehr oder weniger wie ein Kind behandelt. Wie man sich denken kann, gibt es große Probleme und kleinere Probleme. Für die 40-jährige Architektin Stéphanie (Alexandra Lamy) wird es nicht einfach ihre Zukunftsplanung in den Griff zu kriegen. Auch für die lebenslustige Mutter (Josiane Balasko) verändert sich der eingeschliffene Alltag erheblich. Eine nette französische Sommerkomödie, die hauptsächlich von der Präsenz der beiden Frauen lebt, die einen Weg finden müssen, die ungewohnte Situation auf ihre Art und Weise zu aller Zufriedenheit zu lösen. Sommerlich amüsant.

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JULIETA : seit 04.08.2016 im Kino

Nach seinem Film „Fliegende Liebe“, der ziemlich floppte, kehrt Almodóvar wieder zu seinen filmischen Wurzeln zurück und widmet sich seinem Lieblingsthema: Den Frauen. Hier der Trailer:



OFFIZIELLER CANNES WETTBEWERBSBEITRAG
In „Julieta“ erzählt er die Geschichte einer zerrütteten Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Seine Titelheldin Julieta (Emma Suárez) ist keine junge Frau mehr, als sie von einem tiefen Schmerz eingeholt wird. Es ist lange her, als sich ihre Tochter von ihr abwendete und nichts mehr von sich hören ließ. In Rückblenden wird das Leben der jungen Julieta (Adriana Ugarte) nacherzählt. Getaucht in einen Farbenrausch ist ihm die Gestaltung seines Frauenportraits leider etwas missraten. Es liegt vielleicht daran, dass er den Stoff aus drei Kurzgeschichten der Autorin Alice Munro zusammen bastelte und sich nicht so richtig entscheiden konnte, wie er den dramatischen Bogen spannt, um die Literaturvorgabe filmisch interessant in Szene zu setzen. Anstrengend zu verfolgen sind seine verschachtelten Rückblenden. Er versucht grosses Gefühlskino auf die Leinwand zu zaubern, dem es leider an der nötigen Konfliktsubstanz fehlt.

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MAGGIES PLAN : seit 04.08.2016 im Kino

Maggie (Greta Gerwig) wünscht sich sehnlichst ein Baby. Und da sie eine moderne New Yorkerin ist, braucht sie dazu nicht unbedingt einen Vater. Eine Samenspende tut`s genau so gut. Eine New-York-Komödie gespickt mit spritzigen Dialogen, einer Prise Tiefgang, bei der einem sofort der Name Woody Allen einfällt. Man sollte sich diesen Film unbedingt in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln ansehen! Hier der Trailer:



BEITRAG DER 66. BERLINALE PANORAMA-SEKTION
Ein Spender ist schnell gefunden. Ihr netter Kumpel Guy, ein Saure-Gurken-Händler, bei dem sie am liebsten bayrische Gurken im Glas kauft, stellt sich gerne zur Verfügung. Alles ist vorbereitet, der Befruchtungstermin errechnet, da schlägt das Schicksal unverhofft zu. Sie lernt John (Ethan Hawke) durch einen Zufall kennen. Er unterrichtet „ficto-critical-anthropologie“ (was auch immer das ist), hält sich aber für einen großartigen Romancier, wären da nicht seine dominante Frau (Julianne Moore) Professorin an der berühmten Columbia University und die Kinder Justine und Paul, die den Alltag bestimmen und ihm nicht die nötige Muße für seine Schreiberei ermöglichen. John, der das Gefühl hat, total im Schatten seiner Frau Georgette steht, ist von der unkonventionellen Maggie überwältigt. Sie hört ihm zu, unterstützt ihn bei der Vollendung seines angefangenen Romans, sorgt bei dem leicht verpeilten John für mehr Selbstbewusstsein und siehe da, ihre Tochter Lily kommt auf ganz natürlich gezeugte Art auf die Welt. Es ist Maggie, die sich jetzt um alles kümmert, sie hält die Patchwork Familie zusammen, übt sich in chaotischer Haushaltsführung, die beiden Stiefkinder sind zu gerne Gast und der Herr des Hauses widmet sich fast nur noch seinen schriftstellerischen Herausforderungen und nebenbei hat sie ja noch ihre Arbeit an der Kunst Fakultät der Universität. Sie, die behauptete, Niemanden zu finden, der sie länger als 6 Monate liebt, schmiedet einen Plan. Sie will Georgette davon überzeugen, ihren Mann doch wieder zurückzunehmen. Regisseurin Rebecca Miller (The Ballad of Jack and Rose, Pippa Lee) sagt: „Maggie würde gerne ein moralisch einwandfreies Leben führen, aber sie ist auch Realistin, und ihre Fähigkeit, sich ungezwungen durchs Leben zu schlagen, ist einfach mitreißend. Sie fühlt sich durch und durch als Freigeist. Schuldgefühle und Konventionen scheinen ihr fremd zu sein“. Der wunderbaren Julianne Moore verpasste sie einen europäischen Touch. Georgette spricht mit dänischem Akzent. Zwischen den typisch gezeichneten New Yorker Neurotikern, ist ihr Wesen exotisch, mal kühl und ernst, dann wieder komisch und verletzlich. „Eine ernste akademische Eiskönigin, dann wieder warmherzig und fürsorglich“. Auch wenn Greta Gerwig mal wieder die neurotische „Großstadtpflanze“ spielt, kann man sich ihrem speziellen Charme nicht entziehen. Maggie muss lernen, dass nicht immer alles nach Plan gelingt.

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