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Filmfestspiele Cannes - erste Gewinner bekannt gegeben

Ade-Film begeisterte in Cannes und Nellie wurde als bester Filmhund geehrt.



Während wir diese Zeilen schreiben, finden erste Preisverleihungen des 69. Festival des Cannes statt. Somit können wir leider nicht mit dem Hauptpreis beginnen, denn dieser wird zum Schluss vergeben, sondern müssen chronologisch vorgehen und starten deshalb mit einem kurzen Rückblick und den Preisen der Nebenreihen.

Seit 15 Jahren geht die Verleihung der Hunde-Palme der glamourösen Preisverleihung zum Abschluss des Cannes Festivals am Sonntag den 22. Mai 2016 voraus. Der Preis für den besten Filmhund ist in diesem Jahr an einen bereits verstorbenen Vierbeiner gegangen. Nellie, die Englische Bulldogge aus dem Wettbewerbsfilm "Paterson" von Jim Jarmusch, bekam posthum den "Palm Dog Award" verliehen. Die ausgebildete Rettungshündin spielt in dem hoch gelobten Streifen das Männchen Marvin. Regisseur Jarmusch lobte vor allem Nellies Improvisationstalent. Hier der Trailer:



Ökumene-Preis ging an Dolan-Film.
Xavier Dolans Film "It's only the End of the World" hat beim 69. Filmfestival in Cannes den Preis der Ökumenischen Jury gewonnen. Der Film fußt auf einem Theaterstück von Jean-Luc Lagarce und handelt von einem todkranken Schriftsteller, der nach zwölf Jahren zu seiner Familie zurückkehrt, um seine Angehörigen auf sein Ende vorzubereiten. Der Film mit Stars wie Gaspard Ulliel, Vincent Cassel, Lea Seydoux und Marion Cottiard löst den Text der Vorlage in einen visuell berauschenden Fluss voller Momente und Monologe auf, die ein hypnotischer Soundtrack zusammenhält. Hier ein Clip:



Der Film lief am achten Tag des Festivals, als zahlreiche Gäste schon wieder abgereist waren und wird von Blickpunkt:Film total zerissen. Der neue Film des begnadeten Frankokanadier Xavier Dolans, der vor zwei Jahren im Alter von nur 25 Jahren mit "Mommy" den Preis der Jury gewann, sei ein Reinfall schreibt Thomas Schultze.

Gleich zu Beginn des Films kündigt die Hauptfigur, der erfolgreiche schwule Autor Louis, gespielt von Gaspard Ulliel, an, seiner Familie, die er seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen hat, zu gestehen, dass er an einer tödlichen Krankheit leidet. Dann kommt er an und bleibt sprachlos, paralysiert von der Enormität der Situation, und hört seiner Mutter, seinem älteren Bruder, dessen Ehefrau und seiner jüngeren Schwester zu, wie sie über sich reden, sich bekämpfen und streiten und keifen und schreien. Und dann noch mehr reden, bis viel geredet, aber immer noch nichts gesagt ist. Der Film rückt wunderbare Schauspieler mit unattraktiven, unglücklich ausgeleuchteten Nahaufnahmen ins denkbar schlechteste Licht. Nur einmal bei einem langen, wütenden Monolog während einer ungeschnittenen Autofahrt deutet "Juste la fin du monde" an, was er sein könnte: ein entlarvendes Porträt einer Familie am Rand der Selbstzerfleischung - und nicht das klaustrophobische, unangenehme Kasperletheater, zu dem Dolan seinen Stoff reduziert.

"Mimosas" mit dem Großen Preis der »Semaine de la Critique« ausgezeichnet.
Óliver Laxes Drama "Mimomas" über eine Karawane, die einen im Sterben liegenden Scheich durch das marokkanische Atlasgebirge begleitet, um ihm seinen letzten Wunsch zu erfüllen, bei seinen Lieben begraben zu werden, hat den Großen Preis der Cannes-Nebenreihe »Semaine de la Critique« gewonnen. Hier der Trailer:



Zwei Tage vor der Palmenverleihung wurden außerdem Antonie de Barys "L'Enfance d'un Chef" mit dem Canal+-Kurzfilmpreis und Mehmet Can Mertoglus "Albüm" mit dem France 4 Visionary Award ausgezeichnet. Die deutsche Koproduktion "Diamond Island" von Davy Chou erhielt den SACD Award, mit dem Nachwuchskünstler ausgezeichnet werden.

• Grand Prix Nespresso
MIMOSAS de Oliver Laxe

• Prix Révélation France 4
ALBÜM de Mehmet Can MertoÄŸlu

• Prix Découverte Leica Cine du court métrage
PRENJAK de Wregas Bhanuteja

• Prix Fondation Gan í  la Diffusion
Sophie Dulac, distributeur français pour ONE WEEK AND A DAY (SHAVUA VE YOM) de Asaph Polonsky

• Prix SACD
Davy Chou et Claire Maugendre co-auteurs de DIAMOND ISLAND

• Prix Canal+ du court métrage
L'ENFANCE D'UN CHEF de Antoine de Bary

Alle Preisträge unter www.semainedelacritique.com

Die Preise der Nebenreihe »Un Certain Regard«.
War der »Un Certain Regard«, bei dem die Filme um die Camera d'Or konkurrieren, in manchen Jahren manchmal ebenso spannend wie der Wettbewerb, zeigt er in diesem Jahr bislang guten Durchschnitt - bunter, ausgefallener ging es in weiten Teilen im Wettbewerb um die Goldene Palme zu. Den Hauptpreis gewann die finnisch, schwedisch, deutsche Koproduktion "HYMYILEVÄ MIES" ('THE HAPPIEST DAY IN THE LIFE OF OLLI MÄKI') von Juho Kuosmanen. Hier der Trailer:



Mit einem Clash, einem Zusammenstoß, fing es an: Von manchen geradezu sensationell aufgenommen wurde der Eröffnungsfilm "Eshtebak" ("Clash") des ägyptischen Regisseurs Mohamed Diab, der schon mit "Cairo" auf sich aufmerksam gemacht hatte und in seiner Heimat als Aktivist bekannt ist. Das Chaos, das auf den Sturz des Reihen der Muslimbruderschaft gewählten Präsidenten Mohamed Morsi 2013 folgte. Die Handkamera verstärkt das klaustrophobische Gefühl im Inneren eines Lastwagens, in dem Journalisten und Sympathisanten beider Seiten festgehalten werden. Auch wenn bisweilen ein im arabischen Kino verbreitetes Overacting irritiert, gelingt Diab mit filmischen Mitteln ein packendes Zeitporträt und Abbild der Gesellschaft. Für viele war der Film ein Preisanwärter, schreibt Marga Boehle in Blickpunkt:Film.

Auch "Uchenik" ("The Disciple") des Russen Kirill Serebrennikov, seinem zweiten Film nach dem Venedig-Beitrag "Betrayal", kam gut an, gewann aber letztlich keinen Preis. Der Film über einen Schüler, der sich in einen religiösen Wahn steigert und immer mehr von seiner Mutter und seinen Mitschülern entfremdet. Dabei geht er bis zum bitteren Ende. Spannend dabei das Duell, das er sich mit einer engagierten Lehrerin liefert, die für ein modernes Unterrichtssystem steht und dabei wenig Rückhalt in der immer noch durch und durch konventionellen, engen, im Grund von religiösen Gesetzen bestimmten, fortschrittsfeindlichen und von alter Gesinnung geprägten Gemeinschaft findet.

Minutenlang gefeiert wurde indes "Captain Fantastic" von Matt Ross mit einem perfekt besetzten Viggo Mortensen über einen ehemaligen Hippie, für den seine radikalen politischen Ansichten kein Lippenbekenntnis ist: Er zieht seine sechs Kinder fernab der Zivilisation in den Wäldern von Washington so auf, fernab von äußeren Einflüssen, damit sie lernen können, nur auf sich allein gestellt zu überleben. Als der Selbstmord der lange psychisch kranken Mutter sie zwingt, ihre Idylle aufzugeben und erstmals in die weite Welt ziehen zu müssen, wird ein ebenso lustiger wie schmerzhafter Erkennungsprozess eingeleitet. Das Publikum zeigte sich begeistert von dem Crowdpleaser, der immer die richtigen Knöpfe drückt. Ausgezahlt hat sich die Leistung durch den Preis für die Beste Regie. Hier der Trailer:



"Harmonium" von Fuchi ni Tatsu gewann den Jurypreis und ist von großem Stilwillen geprägt. Der Film zeigt ein Bild der japanischen Gesellschaft, eine Familiengeschichte, die aufgerüttelt wird von einem Bekannten des Vaters, der, kürzlich aus dem Gefängnis entlassen, sich nunmehr in die Familienangelegenheiten einzumischen beginnt.

Nicht so richtig überzeugen konnte dagegen "Transfiguration", das Debüt des Amerikaners Michael O'Shea. Ein 14-jähriger Outsider, an der Schule gemobbt, verkriecht sich in Queens in der Wohnung, in der er mit seinem älteren Bruder lebt. Vor der Einsamkeit und einem quälenden Geheimnis schaut er Vampirfilme und flieht in deren imaginierte Welt. Hoffnung kommt, als eine junge Nachbarin einzieht.

Auch "La Danseuse", das Biopic-Musical-Period-Drama von Stephanie DiGiusto, vermochte nicht ganz mitzureißen. Gefilmt an legendären Orten wie der Pariser Oper, ist das Werk mit Indierock-Star Soko als Loie Fuller, der Pionierin des Modern Dance, und Lily-Rose Depp - Tochter von Johnny Depp sicher ein Besetzungscoup für ein eindrucksvolles Duell der Tänzerinnen.

"Dogs", das Filmdebüt des rumänischen Regisseurs Bogdan Mirica, führt ins verlassene Land an der Grenze zur Ukraine, beherrscht von Schmugglern, die nicht bereit sind, ihre Pfründe aufzugeben. "Beyond the Mountains and Hills" von Eran KOLIRIN erzählt klassisch vom schwierigen Überlebenskampf einer Familie im Palästinensergebiet.

Die größten Publikumserfolge landeten indes die amerikanischen Filme: In "Hell or High Water" liefert der Schotte David Mackenzie ein bildgewaltiges, gut besetztes und geöltes Texasepos um zwei Brüder, die gemeinsam, aber von unterschiedlichen Intentionen getrieben, Banken überfallen, und vom Sheriff, dem vorm Ruhestand graust, der sie jagt. Die Schüsse sitzen, die Bilder sind stimmig, der Spaß beim Zuschauen auch, aber Neues gewinnt Mackenzie dem Genre nicht ab: Dafür sieht man Jeff Bridges, Chris Pine und Ben Foster durchgehend bei ihrem souveränen Spiel zu.

• Prize of Un Certain Regard
HYMYILEVÄ MIES (THE HAPPIEST DAY IN THE LIFE OF OLLI MÄKI) by Juho Kuosmanen

• Jury Prize
FUCHI NI TATSU (HARMONIUM) by Fukada Kí´ji

• Prize for Best Director
Matt Ross for CAPTAIN FANTASTIC

• Prize for Best Screenplay
Delphine Coulin & Muriel Coulin for VOIR DU PAYS (THE STOPOVER)

• Special Prize Un Certain Regard
LA TORTUE ROUGE (THE RED TURTLE) by Michael Dudok de Wit


DER WETTBEWERB um die GOLDENE PALME


"Toni Erdmann" von Maren Ade wurde euphorisch gefeiert.
Der einzige offizielle deutsche Wettbewerbsbeitrag ist beim Filmfestival Cannes euphorisch gefeiert worden. Nach einer ersten Vorführung des Films "Toni Erdmann" von Maren Ade überschlugen sich die internationalen Kritiker vor Begeisterung. "Ein menschlicher, wahnsinnig komischer Triumph", schrieb das US-Magazin "Variety", ein kleines Wunder nannte es der "Guardian". Während der Vorstellung gab es frenetischen Beifall. "Toni Erdmann" erzählt von einem Vater, der seine Tochter, eine erfolgreiche Geschäftsfrau, bei einem Projekt in Rumänien besucht und ihr Leben auf den Kopf stellt.

Mittlerweile konnten wir in Berlin eine Pressevorführung des Filmes sehen und waren ebenfalls positiv überrascht, auch wenn nicht ganz zu verleugnen ist, dass Maren Ade zumindest jene komische Momente offensichtlich von Hape Kerkelings TV-Show abgekupfert hat, in denen der vermeintliche Vater mit falschem Gebiss als sein Alter Ego auftritt. Hier der Trailer:



Auf dem Filmmarkt des Festival hat sich Maren Ades vom Publikum und den Kritikern gefeierter Palmen-Mitfavorit "Toni Erdmann" zu einem wahren Verkaufsschlager entwickelt und verkaufte sich in Cannes wie geschnitten Brot. Die Nordamerikarechte gingen an Sony Pictures Classics. Nach Aussage des Weltvertriebs »The Match Factory« wurde die Vater-Tochter-Geschichte zudem nach Großbritannien (Soda), Italien (Cinema), Australien (Madman) und Japan (Bitters End) verkauft. Weitere Abnehmer fand der Film in Skandinavien (Future), Spanien (Golem), Hongkong (Edko), den GUS-Staaten (Russian Report), Polen (Gulek), den Benelux-Staaten (September), China (Lemon Tree), Griechenland (Seven), Portugal (O Som e a Fúria/Alambique), Ungarn (Cirko), Taiwan (Swallow Wings), Tschechien und der Slowakei (Film Europe), Südkorea (Green Narae) und der Türkei (Filmarti).

Vergewaltigungsdrama in Cannes.
Als einer der letzten Beiträge im Wettbewerb startete ein provokatives Vergewaltigungsdrama mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle von "Elle". Sie spielt Michele, eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die Zuhause von einem Unbekannten vergewaltigt wird. Allerdings schaltet sie nicht die Polizei ein. Stattdessen entwickelt sich eine Beziehung aus Lust, Gewalt und Kontrollverlust. Regie führte der 77-jährige Niederländer Paul Verhoeven, der vor vielen Jahren mit "RoboCop" (1987), "Total Recall" (1990) und "Basic Instinct" (1992) bekannt wurde. Hier der Trailer:



Sozialdramen der Altmeister.
Zwei Sozialdramen haben beim Filmfestival Cannes auf Missstände unserer Zeit hingewiesen. Während die belgischen Dardenne-Brüder in "The Unknown Girl" dem Tod eines jungen Mädchens aus Afrika nachgingen, zeigte der philippinische Regisseur Brillante Mendoza, der zum dritten Mal im Wettbewerb in Cannes antrat, in "Ma' Rosa" den harschen Alltag in seinem Land. Beide Filme liefen bei den Internationalen Festspielen im Wettbewerb.

Jean-Pierre und Luc Dardenne haben bereits zwei Mal die Goldene Palme gewonnen, die höchste Auszeichnung des Festivals. Dass allerdings auch nicht jede ihrer unverkennbaren Regiearbeiten automatisch ein Meisterwerk ist, beweist in diesem Jahr "La fille inconnue", der dritte ihrer Filme in Folge, in der eine professionelle Schauspielerin die Hauptrolle spielt. Nach Cecile De France in "Der Junge mit dem Fahrrad" und Marion Cotillard in "Zwei Tage, eine Nacht" haben die Dardenne-Brüder diesmal die zweifache César-Gewinnerin Adí¨le Haenel gewählt, die eine recht undankbare Rolle zu spielen hat als junge Ärztin Jenny, die kein erkennbares soziales Leben hat und im Verlauf des gesamten Films vielleicht zweimal lächeln darf. Wir erfahren nichts über sie. Außer dass sie ein Gewissen besitzt, und das reicht aus, um die Handlung in Bewegung zu setzen.

Um ihrem renitenten Assistenten eine Lektion zu erteilen, zwingt sie ihn, ein Klingeln an der Tür der Praxis in einem wenig beschaulichen Viertel von Lüttich, die sie nach der Pensionierung des eigentlichen Arztes vorübergehend leitet, um 20 Uhr abends zu ignorieren. Am nächsten erfährt sie, dass es eine verzweifelte junge Frau war, die geklingelt hat und kurz danach gewaltsam zu Tode kam. Der Gedanke, sie hätte ihr Leben retten können, wenn sie die Tür geöffnet hätte, löst einen Schuldkomplex bei Jenny aus, der sich zur Obsession auswächst. Sie wirft alle bisherigen Karriereprobleme über den Haufen, lässt eine lukrative Anstellung in einem renommierten Ärztehaus sausen, übernimmt die Praxis. Und macht sich auf die Suche nach dem Namen des unbekannten Mädchens.

Das unbekannte Mädchen - das könnte allerdings auch Jenny selbst sein, ein Rätsel, eine unbekannte Größe ohne erkennbares Innenleben. Jenny ist tatsächlich ein Spiegel für die Figuren, die sie auf ihrer Suche trifft. Sie ist Ärztin, Detektiv und Beichtvater. Und ein Katalysator, verborgene Wahrheiten aus den Menschen hervor zu befördern. Weil sie ohne erkennbares Eigeninteresse mit ihrer bloßen Wahrheit insistiert, gesteht ihr Assistent ihr seine Kindheitstraumata, sagt ihr ein Junge, wo er das tote Mädchen in der Todesnacht gesehen hat. Und schließlich gesteht auch der Mörder und meldet sich die Schwester der Toten. Weil, so argumentieren die Dardennes, der Mensch krank wird, körperlich und seelisch, wenn er sich nicht offenbart. „The Unknown Girl“ ist wahrscheinlich der bisher schwächste Film der Dardennes, trotzdem ist er allein schon wegen der wunderbaren Hauptdarstellerin Adí¨le Haenel einen Kinobesuch wert.

Hölle Manila: "Ma' Rosa".
Keine Aussicht auf eine Verbesserung ihrer Umstände haben die Hauptfiguren von "Ma' Rosa" des philippinischen Regiestars Brillante Mendoza, der nach "Serbis" im Jahr 2008 und "Kinatay" im darauffolgenden Jahr, der ihm den Regiepreis bescherte und bis heute sein bekanntester Film ist, zum dritten Mal im Wettbewerb in Cannes antrat.

Der Filmemacher folgt den Geschicken und Überlebenskämpfen der Ärmsten der Armen in einem Slum in der Hauptstadt, deren hoffnungslose Situation noch verschlimmert wird, als Rosa und ihr Ehemann auf den Tipp eines Nachbarjungen hin wegen Drogenhandels festgenommen und von der Polizei unter Druck gesetzt werden: Wenn sie ihren Lieferanten nicht preisgeben, verschwinden sie im Loch. Damit wird eine Kette von Ereignissen ausgelöst, an deren Ende ihre drei jugendlichen Kinder durch die Stadt ziehen, um irgendwie 50.000 Pesos aufzutreiben, mit denen die Eltern ausgelöst werden. Wie sie betteln und bangen, sich prostituieren und ihre Seele entblößen, das erinnert bisweilen an einen Besuch in der Hölle, in der jeder Schritt die Schlinge um den Hals der Beteiligten noch ein bisschen stärker zuzieht. Mendoza hält das mit der ihm typischen rastlosen Kamera fest, die sich an die Fersen seiner Figuren heftet. Eher zurückhaltend geht er hier mit der bei ihm oft ausufernden Gewalt um. Die beiden Male, wo sie explodiert, ist es kein schöner Anblick. Soll es auch nicht sein, und doch endet der Film mit einem Moment der Ruhe. Etwas Besseres haben die Menschen in diesem Teil von Manila nicht zu erwarten. Hier der Trailer:



Festivalveteran Pedro Almodóvar mit kleinerem Werk.
Am siebten Tag zeigte auch Festivalveteran Pedro Almodóvar sein Werk. Der Film ist in seinem Schaffen aber eher ein kleineres Werk, dennoch aber nicht uninteressanter als seine Meisterwerke. "Julieta" des 66-jährige Spaniers ist ein schöner Film geworden, der in seinem Heimatland bereits im April regulär im Kino anlief und alles über Mütter zeigt. Almodovar präsentiert eine ernste, zurückgenommen, gewohnt geschmackvoll designte Reflektion einer Frau in ihren Fünfzigern, die eine nie geheilte Wunde in ihrem Leben immer geheim gehalten hat und nun ihre Geschichte Revue passieren lässt.

Basierend auf drei Kurzgeschichten von Alice Munro, löst ein zufälliges Treffen mit einer Freundin ihrer mittlerweile erwachsenen Tochter das Bedürfnis in Julieta aus, sich endlich mit der eigenen schmerzhaften Vergangenheit auseinanderzusetzen, die sie vor sich selbst verborgen hält: Zu tief sind die Wunden, die damals geschlagen wurden, als dass sie jemals hätten geschlossen werden können. In einer langen Rückblende wird von Julietas Liebe zu einem attraktiven Fischer erzählt, dessen Frau nach langer Krankheit im Sterben liegt, von seinem Unfalltod auf offener See in einem Unwetter nach einem Streit, von ihrer gemeinsamen Tochter, die sich von der Mutter lossagt, weil sie ihr die Schuld am Tod des geliebten Vaters gibt - und die alle Brücken zu ihr abbricht, sodass Julieta mehr als 30 Jahre nichts über ihren Verbleib weiß.

Die Extravaganz der frühen Almodóvars weicht hier einer simplen Eleganz in der Erzählung. Die Musik legt mit ihrer aufbauenden Spannung nahe, dass hier noch eine Überraschung wartet, eine Finte, ein Haken. Die Überraschung ist dann aber die ökonomische Geradlinigkeit der Erzählung, das Bedürfnis um Klarheit und Mangel an Ballast. Natürlich findet Almodóvar immer noch Raum, sich vor unterschiedlichster Kunst zu verbeugen, die ihm gefällt und die ihn inspiriert, aber sonst geht es nur um die Titelheldin und die beiden Darstellerinnen, die sie in verschiedenen Altersstufen darstellen: Adriana Ugarte und die Medem-Muse Emma Suárez. Und um den unvorstellbaren Schmerz, mit dem die Heldin in ihrem Leben kämpfen musste. Der Schluss liefert keine Heilung, aber stellt zumindest Linderung in Aussicht. Hier der Trailer:



Penn und Theron gehen auf Distanz.
Die US-amerikanische Schauspieler Sean Penn und die Südafrikanerin Charlize Theron sind sich beim Filmfest Cannes auch gut ein Jahr nach ihrer Trennung im vergangenen Sommer sichtbar aus dem Weg gegangen. Die beiden stellten den Film "The Last Face" vor, bei dem Penn Regie geführt hatte und Theron eine Hauptrolle spielt. Auf der Pressekonferenz würdigten sie sich keines Blickes und saßen deutlich voneinander getrennt - Penn nahm nicht wie andere Regisseure sonst den Platz in der Mitte des Podiums, sondern einen weiter rechts.

Den Gewinner des Hauptpreises, der Goldenen Palme, reichen wir morgen hier nach.

Link: www.festival-cannes.com/en.html
Quellen: Filmstarts | Blickpunkt:Film | 3Sat | DW

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