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Kino in den Zeiten der Katastrophe! - Neue Filmkritiken im April, Teil 5

Ein Kommentar zu den Marvel-Filmen, eine Veranstaltung in der UDK sowie Filmkritiken zu aktuellen Arthouse-Werken, die teils mit Prädikat ausgezeichnet wurden.



Das frühsommerliche Oster-Wetter in der letzten Woche war nun wahrlich kein Freund des Kinos und bot wenig Überraschendes bei den Kinocharts – nur ein Film konnte mit sechsstelligen Besucherzahlen aufwarten. Dies war die US-Romanze „After Passion“, die mit rund 112.000 Zuschauern die Spitzenposition bei den Blockbustern im Mainstream-Kino behauptete.

Das von uns gelobte und beim letzten Mal, dem 21. April 2019, besprochene Nazi-Gerichts-Drama „Der Fall Collini“ konnte zwar nur knapp, aber für einen deutschen Film immerhin 79.000 Zuschauer für sich gewinnen.

Das Mitte März von Walt Disney gestartete Marvel Comic „Captain Marvel“ war nach kurzer Zeit nun doch nicht mehr besonders gefragt. So schob bereits letzten Mittwoch der Walt Disney Verleih ein weiteres Marvel Comic hinterher, das weltweit sofort Platz eins belegte. Die Rede ist von "Avengers 4: Endgame" zu dem der Tagesspiegel schrieb, dies sei kein Film den man ohne Kenntnis des Marvel Cinematic Universe - kurz MCU - ansehen, geschweige denn verstehen könne.

Hier der Trailer:



Der 22. Film des Marvel Universums kommt vorerst zu einem Ende und zeigt, dass auch Superhelden - im Gegensatz zu den griechischen Göttern - wohl sterblich sein können. Bedenklich ist, dass der US-Film wieder in einem kriegslüsternen Show-down mündet. Damit untergräbt er weder kritisch die Moral von US-Präsident Donald Trump, der sich gerade gegen die UN stellte und den Rückzug vom Waffenhandelsvertrag ankündigte, sondern unterstützt vielmehr dessen Ansichten, um Amerika groß zu machen, komme was da wolle.


Der Disney-Verleih vermeldete, dass der Marvel-Blockbuster "Avengers: Endgame" am Starttag, gleich mehrere Bestmarken in den deutschen Kinos erreichte. In voll besetzten Sälen feierten die Zuschauer die Superhelden-Riege und bescherten dem großen Finale der Avengers-Saga den dritterfolgreichsten Kinostarttag aller Zeiten (nach „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ und „Star Wars: Die letzten Jedi“).

In nur 24 Stunden ließen sich 458.000 Besucher mit einem Einspielergebnis von 5,06 Millionen Euro am Box-Office von dem spektakulären Kinoereignis begeistern, wodurch der Film einen Marktanteil von 83 Prozent erreichte. Weitere Rekorde, die der Marvel-Blockbuster laut Disney bereits an seinem ersten Tag einstellte: "Avengers: Endgame" ist nach Umsatz der erfolgreichste Mittwochsstart aller Zeiten, der erfolgreichste Start eines Superheldenfilms und zudem der erfolgreichste April-Start aller Zeiten. In Nordamerika spielte die Disney-Produktion 350 Millionen Dollar an ihrem ersten Wochenende ein und schrieb damit Filmgeschichte. Weltweit brachte "Endgame" in seinen ersten Tagen 1,2 Milliarden Dollar ein, ebenfalls eine Bestmarke.

Schade, dass solche Filme nicht auch mal kritisch betrachtet werden. Die Mehrzahl der Zuschauer bei der von uns besuchten und gut besetzten Pressevorführung waren wohl sogenannte "Influenzer", die alles nur auf Facebook & Co. loben, um Punkte und Credits zu bekommen. Traurig.

W.F.


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Kino in den Zeiten der Katastrophe!

Im Zusammenhang mit dem oben kommentierten Film wollen wir auf eine zweitägige öffentliche Konferenz der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) und dem Filmnetzwerk Berlin aufmerksam machen, die in Kooperation mit der Universität der Künste (UDK) bereits ab heute 29. April um 10:00 Uhr bis 1. Mai 2019 um 12:00 Uhr in der Aula des Medienhauses der UDK in der Grunewaldstraße 2-5 (1. OG) in 10823 Berlin stattfindet.

Themen:
Überwachung, Klimakriege, Rechtsruck: Die Katastrophen kommen. Auch auf Festung Europa ist man nicht mehr lange sicher. Wie kann ein Kino aussehen, das diesen Katastrophen begegnet? Versucht es, sie zu verhindern – oder richtet es sich in ihnen ein? Wie politisch darf, soll, muss Kino sein – und lässt sich das überhaupt „verordnen“? Oder macht sich ein Kino, das zur Waffe der (moralischen) Gegenmobilmachung wird, schon mit der Katastrophe gemein?

Im Rahmen der zweitägigen Konferenz Kino in den Zeiten der Katastrophe wird die Rolle von Film und Filmemacher*innen in Zeiten struktureller Erschütterung untersucht und das Verhältnis zwischen Kunst und Aktivismus neu vermessen. Mitten aus dem Schlamassel heraus und zwischen Weltuntergangs-Lethargie, Biedermeier, Propaganda und (Anti-)Apokalypse stellen wir uns die Frage: Brauchen wir einen neuen Imperativ?

Die Konferenz wird von Regisseurin und Autorin Susanne Heinrich ("Das melancholische Mädchen / Aren't you happy?", Gewinnerin des Max-Ophüls-Preis 2019) kuratiert. Diskutiert wird unter anderem mit der Philosophin Mirjam Schaub, dem Filmemacher Max Linz, der Cyberfeministin Cornelia Sollfrank, dem Filmkritiker Frédéric Jaeger und Alisa vom Peng. Kollektiv.

Der genaue Zeitplan der Veranstaltung ist hier auf Facebook abrufbar.


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BKM: 15 Millionen Euro für das Zukunftsprogramm Kino

Übrigens hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters für das kommende Jahr 15 Millionen Euro für das Zukunftsprogramm Kino vorgesehen, das durch die Länder kofinanziert werde, womit notleidenden Arthouse-Kinos Hilfe zur Modernisierung angeboten werden solle.

Prompt gab es auch bereits Kritik von der Gilde Deutscher Filmkunsttheater, denn im Gegensatz zum diesjährigen Soforthilfeprogramm, das sich auf 5 Millionen Euro beläuft und sich ausschließlich an Filmtheater in Orten mit bis zu 25”‰000 Einwohnern richtet, soll sich das Zukunftsprogramm an alle Kinos, also auch jene in den Großstädten richten, was laut AG Kino – Gilde niemals ausreichen würde.

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FBW-Auszeichnungen für herausragenden Rainer Bock in "ATLAS" und die britische Doku "TEA WITH THE DAMES". Außerdem eine Filmbesprechung zur Krimi-Komödie "EIN LETZTER JOB" mit einem alternden Michael Caine als Diamantenräuber.

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"ATLAS" Drama von David Nawrath (Deutschland). Mit Rainer Bock, Albrecht Abraham Schuch, Thorsten Merten u.a. seit 25. April 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

ATLAS ist in der griechischen Mythologie ein Titan, der das Himmelsgewölbe am westlichsten Punkt der damals bekannten Welt stützte.

Auch sie tragen eine schwere Last, die schweigsamen Männer der Möbelpacker-Truppe, die für ihren Chef Roland Grone (Uwe Preuss) tagtäglich unterwegs sind, das Hab und Gut derjenigen zu schleppen, die von Zwangsräumungen betroffen sind. Drahtzieher ist ein arabischer Clan, der sich auf Häuserspekulationen und Geldwäsche spezialisiert hat.

Zu dem Hilfsarbeitertrupp gehört auch der 60-jährige Walter (Rainer Bock), ein ehemaliger Gewichtheber, der scheinbar mühelos schwere Möbelstücke schleppt und Grones „bestes Pferd im Stall“ ist. Doch der Schein trügt, wenn man sieht, dass er nach getaner Arbeit, sich seines Stützkorsetts entledigt, sich auf den kalten Fliesen seiner Küche, die schmerzenden Knochen kühlt. Bei den Räumungen immer dabei, ein Vertreter der Obrigkeit, der Gerichtsvollzieher Alfred (Thorsten Merten).

Und wieder sind die Männer unterwegs. Zu einem Frankfurter Mietshaus, neuer Besitzer der kriminelle Clan, das entmietet werden soll. Eine junge Familie hat sich durch einen Gerichtsbeschluss ein Bleiberecht erwirkt. Der kämpferische junge Vater ist Walters Sohn Jan (Albrecht Schuch), mit dem er seit 30 Jahren keinen Kontakt mehr hat. Walter lässt sich nichts anmerken. Noch ahnt er nicht, dass Clan-Mietglied Moussa (Roman Kanonik) auf Grund der brisanten Lage, zu drastischen Mitteln greift. Jetzt ist der Moment gekommen, Walter greift ein. Er muss Jan helfen. Ihm ist klar, dass er sich damit auf ein heißes Pflaster begibt.

Es ist großartig, wie sich Rainer Bock, im wahrsten Sinne, durch den Film schleppt. Ein wortkarger, gebrochener Mann, auf dessen Schultern eine schwere Bürde aus früheren Jahren lastet und der mit seiner unglaublichen Präsenz den Film trägt und dieses Familiendrama, Tragödie und Krimi zugleich, absolut sehenswert macht. Drehbuch und Hauptdarsteller sind jeweils für den Deutschen Filmpreis nominiert. Mit ATLAS ist David Nawrath ein fesselndes Kinodebüt geglückt.

Ulrike Schirm


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"TEA WITH THE DAMES" - Ein unvergesslicher Nachmittag" Doku von Roger Michell (Großbritannien). Mit Maggie Smith, Judi Dench, Eileen Atkins u.a. seit 25. April 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Es ist ein Vergnügen den vier außergewöhnlichen Schauspilerinnen Judi Dench (Geb. 9. Dezember 1934), Maggie Smith (Geb. 28.Dezember 1934), Eileen Atkins (Geb. 16. Juni 1934) und Joan Plowright (Geb. 28. Oktober 1929) beim gemütlichen Teekränzchen zuzuhören und zuzusehen. Alle vier wurden von der englischen Königin in den Ritterstand erhoben und tragen den Titel „Dame“.

Seit mehr als 50 Jahren treffen sich die vier Ladies hin -und wieder in einem Cottage zum Tee, um in alten Erinnerungen zu kramen. Was für eine Sternstunde, „Notting Hill“ Regisseur Roger Michell begleitet sie bei einem dieser Treffen mit der Kamera. Entstanden ist eine kurzweilige Doku, in der sie über ihre Karriere plaudern, über ihre Männer, über das Älterwerden, Kritikern und in bester Laune, mit herrlichem britischem Humor, klatschen und tratschen.

Ohne große Sentimentalität gestatten sie Michell alte Film -und Theaterausschnitte sowie private Fotos zwischenzuschneiden.

Roger Michell: „Zusammen waren sie 342 Jahre alt, als wir drehten. Sie sind witzig, geistreich, scharfsinnig, ehrgeizig, sentimental, albern, intelligent, sarkastisch, respektlos, alt und gleichzeitig unglaublich jung“. – „Wir brauchten die sechziger Jahre nicht, wir haben uns schon immer schlecht benommen“.

Dame Plowright ist sogar mehr als eine „Dame“. Eigentlich trägt sie den Titel „Baroness Olivier“. 1971 wurde ihr Mann Lawrence Olivier von der Königin zum Baron ernannt. Alle vier zitterten vor Lampenfieber, wenn sie mit ihm auf der Bühne standen. Plowright: „Er war wie eine Naturgewalt und manchmal auch ein Alptraum“. Am Schluss spricht Dench für alle, wenn sie sagt: „Wir arbeiten bis zum Ende“.

Für Joan Plowright trifft das allerdings nicht zu. Sie musste 2014 ihre Karriere wegen einer Erblindung beenden.

Es ist schon eine große Ausnahme, dass diese vier starken Frauen mit völlig unterschiedlicher Persönlichkeit über Jahrzehnte in tiefer Freundschaft verbunden sind, besonders in diesem Milieu. Chapeau!

Ulrike Schirm


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"EIN LETZTER JOB" Krimi-Komödie von James Marsh (Großbritannien). Mit Michael Caine, Tom Courtenay, Jim Broadbent u.a. seit 25. April 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

„Ein letzter Job“ beruht auf einer wahren Begebenheit. 2015 raubte eine Rentnergang den Tresorraum der Hatton Garden Safe Deposit Limited in London aus.

James Marsh („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) hat den Coup mit einem Starensemble um Michael Caine, als da wären Jim Broadbent, Tom Courtenay, Charlie Cox, Paul Whitehouse, Michael Gambon und Ray Winstone, verfilmt.

Innerhalb relativ kurzer Zeit ist „Ein letzter Job“ nun der dritte Film, in dem alte Herren kriminell unterwegs sind. Der fast 90-jährige Earl Stone, gespielt von Clint Eastwood in „The Mule“. Auf seinen Fersen folgte Forrest Tucker, dargestellt von Robert Redford (82) in „Ein Gauner & Gentleman“ und nun folgt Brian Reader in Gestalt von Michael Caine (86) in „Ein letzter Job“, in dem er mit seinen alten Kumpanen die Hatton Garden Safe Deposit Limited während der Ostertage gemächlich ausraubt. Alle drei Filme beruhen auf einer wahren Begebenheit. Die zweite Gemeinsamkeit besteht darin, dass die Polizei anfänglich im Dunkeln tappt, denn auf die Idee, dass betagte alte Herren die Täter sein könnten, kommen sie erst einmal nicht.

Brian Reader, der sich nach dem plötzlichen Tod seiner Frau in seinem Rentnerdasein langweilt, will seinem trostlosen Dasein wieder etwas Spannung verleihen und so heuert er nochmal seine nun auch schon in die Jahre gekommenen Komplizen an, einen aller letzten Coup zu landen. Jeder von ihnen ist auf seine Weise von typischen Alterserkrankungen wie Diabetes oder Schwerhörigkeit sowie Inkontinenz betroffen. Einer von ihnen ist durch eine künstliche Hüfte in der Beweglichkeit eingeschränkt. Eine Ausnahme ist der etwa 30-jährige Alarmspezialist Basil (Charlie Cox), der körperlich durch Fitness glänzt aber durch ein anderes Handikap für Unruhe sorgt: Er ist einfach viel zu gierig.

Aus der Gebrechlichkeit der Protagonisten versucht die Gaunerkomödie ihren Humor zu ziehen, was nur selten gelingt. Der Bande gelingt es die Schließfächer mit Wertsachen aus der Depotfirma im Londoner Diamantenviertel auszuräumen. Da sie für ihren Coup die Osterfeiertage wählten, blieb ihre Tat tagelang unentdeckt. Jetzt wird es interessant. Die Beute muss schnellstens abgestoßen werden, um 200 Millionen Pfund untereinander aufteilen zu können. Aus Kameraden werden erbitterte Feinde. Gier, Verrat und gegenseitiges Misstrauen gewinnt die Oberhand. Von Altersmilde ist nichts mehr zu merken. Aufgelockert wird die Darstellung der vier ergrauten Berufskriminellen durch eine Montage aus Jahrzehnte zurückliegenden Filmen, in denen sie in ähnlichen Rollen zu sehen waren.

Letztendlich plätschert der Film so vor sich hin. Schwankt zwischen Gebrechlichkeitshumor und der Empfindsamkeit des gelangweilten Brian Reader, der vereinsamt durch seine Behausung schlurft und einen spannungslosen Coup begeht, um seinem trostlosen Alltag wieder einen Sinn zu geben. Eher tragisch als amüsant. Der Score aus Jazz und Funk verleiht dem Film eine wohltuende Beschleunigung. Hoffentlich ist es filmtechnisch betrachtet nicht Caines letzter Job.

Ulrike Schirm






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