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Bayerns Studierende der HFF fordern mehr Engagement des BR

Nachwuchsproduktionen der HFF sind durch Einsparungen beim Bayerischen Rundfunk gefährdet.



Nach dem Brandbrief der Regisseure bezüglich der Zukunft der Berlinale, über den wir gestern nochmals berichteten, folgen jetzt auch die Studierenden der HFF München dem Beispiel einer Revolte und beschweren sich öffentlich bei der Landesregierung über die Zukunftsaussichten ihrer Ausbildung.

In einem offenen Brief appellieren die Studierenden an die bayerische Politik, für eine angemessene Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzutreten, da die schwindenden Beteiligungen insbesondere des BR die Nachwuchsproduktionen gefährden würden. Nur mit einer engagierten Nachwuchsförderung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, insbesondere des am Standort ansässigen Bayerischen Fernsehens, kann aus Sicht der Studenten der Film- und Fernsehstandort Bayern aufrecht erhalten werden.

Auslöser für den Brief ist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Beteiligungen des Bayerischen Rundfunks im Nachwuchsbereich zuletzt auf ein Niveau zusammengestrichen wurden, das rund 70 Prozent unterhalb jenes von vor vier Jahren liege, wie die Studierenden ausführen. Weitere Kürzungen zögen demnach "fatale Folgen" nicht nur für Bayern, sondern auch Deutschland nach sich - denn sie würden bedeuten, dass "die ohnehin bereits enorm eingeschränkte Nachwuchsförderung de facto abgeschafft würde".


Die Studierenden wissen zwar das Engagement für die Nachwuchsförderung von ProSiebenSat.1, Sky, Constantin Film, Arri und vielen anderen Playern zu schätzen, allerdings könne dieses auf Sicht die Lücken nicht kompensieren, die die Einsparungen bei den Öffentlich-Rechtlichen reißen würden. Auch die Förderung durch den FFF Bayern könne Senderbeteiligungen nicht ersetzen.

Den offenen Brief der HFF-Studierenden haben wir am Ende des Textes - in der erweiterten Ansicht - im Wortlaut eingefügt.

Quellen: HFF München | Blickpunkt:Film
Link: www.hff-muenchen.de





Der offene Brief der HFF-Studierenden im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer, sehr geehrter Herr Staatsminister Dr. Spaenle, sehr geehrte Frau Staatsministerin Aigner,

mit großer Sorge betrachten wir Studierenden der Hochschule für Fernsehen und Film München den Einzug der AFD in den Deutschen Bundestag und die damit lauter werdenden Stimmen nun auch im Parlament, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schwächen oder gar abzuschaffen.

Der Jugend wird bisweilen nachgesagt, sie würde sich gerne gegen etablierte Strukturen stellen und per se alles anders machen wollen. Wir erkennen bei aller Kritik und Aufbruchsstimmung allerdings durchaus, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten seit jeher die mit Abstand wichtigsten Partner für die deutschen Filmhochschulen und damit den gesamten deutschen Film- und Fernsehnachwuchs waren und sind. In unserem Fall sprechen wir hier vom Bayerischen Rundfunk und vom ZDF als zwei der größten öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Mit einer engagierten Nachwuchsförderung für die HFF vor allem des Bayerischen Rundfunks, steht und fällt für uns der Film- und Fernsehstandort Bayern.

Die erfolgreiche Partnerschaft zwischen dem BR und der HFF München lässt sich an etlichen Fällen belegen. So sind in dieser Konstellation neben berühmten Beispielen wie "Das Leben der Anderen" oder "Die Geschichte vom weinenden Kamel" auch in der jüngeren Vergangenheit mit Produktionen wie "Hell" , "Nocebo", "About a Girl" oder "Vom Lieben und Sterben" immer wieder Filme entstanden, die mit OSCARs oder anderen bedeutenden Preisen bedacht wurden und den Studierenden den erfolgreichen Eintritt in die Branche ermöglicht haben. Auch die von der Kritik als neuer deutscher Serienmaßstab gefeierte und gerade beim jungen Publikum beliebte Serie "Hindafing" wurde maßgeblich von ehemaligen Studierenden der HFF gemeinsam mit dem BR entwickelt und umgesetzt.

Die Strahlkraft des Bayerischen Rundfunks weist zudem weit über Bayern hinaus. Neben hochkarätigen Serien wie aktuell "Das Verschwinden" von HFF Alumnus Hans Christian Schmid ist der BR auch an zahlreichen deutschen Kinoproduktionen beteiligt. Der BR hat über viele Jahre eine hohe Kompetenz in fiktionalen und dokumentarischen Produktionen bewiesen. Viele Film- und Fernsehmacher auch außerhalb Bayerns setzen bis heute auf die Stärke des BR und konkurrieren dadurch mit den hier Ansässigen um immer kleiner werdende Budgettöpfe, was zu deutlichen Reduktionen in der Anzahl und Ausstattung von Produktionen führt. Das gilt in ähnlicher Form auch für andere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, scheint aber beim BR besonders dramatisch zu sein.

Wie wir aktuell erfahren mussten, wurden im Zuge allgemeiner Sparmaßnahmen die Beteiligungen des Bayerischen Rundfunks im Nachwuchsbereich im Vergleich zu vor vier Jahren um etwa 70% reduziert! Das bedeutet, dass weitere Kürzungen fatale Folgen für den Film- und Fernsehstandort Bayern und Deutschland hätten und die ohnehin bereits enorm eingeschränkte Nachwuchsförderung de facto abgeschafft würde. Deutsche Filme, Deutsche Serien, die aus Bayern heraus entwickelt und befördert wurden, gäbe es dann kaum noch.

Wir wissen das Engagement von Pro7/Sat1, Sky, der Constantin Film, ARRI uva. zu schätzen, sehen aber, dass sie die vor allem in qualitativer Hinsicht beeindruckenden Projektentwicklungen und Aufträge der öffentlich-rechtlichen Sender noch und in den nächsten Jahren sicherlich nicht kompensieren können. Auch der gut ausgestattete FilmFernsehFonds Bayern ersetzt nicht die Senderbeteiligungen, sondern fördert in anderer Funktion.

Der Film- und Fernsehnachwuchs generell, aber auch speziell in Bayern, braucht daher die Unterstützung der Politik, damit die sehr hochwertige und kostspielige Ausbildung motivierter und

kreativer junger Leute an der HFF in Zukunft nicht ins Leere läuft. Bereits jetzt ist eine Abwanderung von Alumni nach Berlin oder an andere Orte zu beobachten, die sich dort gerade in der jungen Szene größere Chancen erhoffen und für sich am teuren und umkämpften Medienstandort Bayern und in der Stadt München keine Zukunft sehen.

Die Politik in Bayern hat - nicht zuletzt mit dem großartigen Neubau für die HFF inmitten des Münchner Kunstareals - gezeigt und betont, wie wichtig ihr der Bayerische Filmnachwuchs ist. Für die zukunftsorientierte, vielseitige und erfolgreiche Lehre an der HFF sind wir sehr dankbar. Entsprechend ist es unserer Ansicht nach auch die Aufgabe der Politik und eines starken öffentlich-rechtlichen Rundfunks, den aktuellen Entwicklungen entgegenzuwirken und sicherzustellen, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen aufgrund seiner Finanzierung über Rundfunkbeiträge Freiheiten haben soll und muss, wie es rein marktwirtschaftlich operierende Unternehmen sich nicht immer erlauben können. Dabei geht es nicht nur darum, kulturelle Minderheiten zu repräsentieren, sondern auch und vor allem darum, dem noch nicht etablierten Nachwuchs Chancen und Möglichkeiten für seine Entfaltung zu geben, die den künstlerisch-kreativen und wirtschaftlichen Standort auch in Zukunft erfolgreich prägen sollen.

Die öffentlich-rechtlichen Sender werden immer wieder für ihr angeblich wenig originelles und auf ein älteres Publikum ausgerichtetes Programm kritisiert. Wir erkennen die Bemühungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten, ihre Programme zu reformieren und zu modernisieren. Zeitgemäßes, hochwertiges und mutiges filmisches Erzählen kostet aber Geld!

Die viel beschworenen neuen Marktteilnehmer wie Streaming-Dienste, Pay-TV-Sender oder Online-Anbieter eröffnen sicherlich ergänzende Finanzierungswege, arbeiten jedoch eher global und können daher den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht ersetzen. Im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Sendern setzt man dort vorwiegend auf bereits erfolgreiche und ausgezeichnete Nachwuchstalente. So besteht etwa das gesamte Kernteam der ersten deutschen Netflix-Serie "Dark" aus Alumni der HFF München, die sich bereits mit Abschluss- und Debütfilmen einen Namen in der Branche machen konnten, die öffentlich-rechtlich ko-produziert und -finanziert wurden und ihnen die Türen zu solch großen und internationalen Projekten mit Strahlkraft auf Bayern und Deutschland überhaupt erst geöffnet haben. In einer sich rasant international und national verändernden Film- und Medienbranche sucht der Nachwuchs nach verständlichen Spielregeln und klaren Aussagen darüber, wer als Anbieter, Institution oder Unternehmen welche Ziele verfolgt bzw. welchen Auftrag im Hinblick auf die Nachwuchsförderung erfüllen soll.

Die aktuelle Debatte um eine Vermischung von öffentlich-rechtlichen Informationsangeboten mit denen privatwirtschaftlicher Verlage - besonders im Netz - ist sicherlich berechtigt, sie berührt aber nur bedingt das notwendige Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im kulturellen Bereich von Spiel- und Dokumentarfilmen.

Das duale Rundfunksystem mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf der einen, den privatwirtschaftlichen Fernsehsendern und Verlagen auf der anderen Seite, ist eine der wichtigsten Errungenschaften unserer freiheitlichen Demokratie und sollte auch in Zeiten von Streaming-Diensten und sozialen Netzwerken seinen Platz behaupten können. Eine vielfältige und florierende Kulturlandschaft ist kein Luxus, sie ist ein Bürgerrecht und einer der großen Werte unserer westlichen Welt. Und gerade Bayern zeigt vorbildhaft, wie hochwertige kulturelle Inhalte und wirtschaftliche Erfolge vereinbar sind.

Eine rückwärtsgewandte und kulturfeindliche Politik darf in einem Land wie Deutschland, gerade mit Blick auf die deutsche Geschichte, keinen Nährboden haben. Die Diskussion über Rundfunkbeiträge sollte die zu schützenden Grundwerte dieses Systems nicht in Frage stellen und daher keinesfalls den kurzsichtigen und populistischen Kräften überlassen werden. Eine Reduzierung der Beiträge würde die durch steigende Lohn- und Produktionskosten knapper werdenden Mittel zusätzlich soweit einschränken, dass ein vielfältiges Film- und Fernsehschaffen nicht mehr möglich wäre.

Uns ist bewusst, dass auch der Bayerische Rundfunk den Entwicklungen im Bereich neuer Medien und den damit verbundenen Veränderungen einer digitalisierten Medienlandschaft Rechnung tragen muss. Dies darf aber nicht auf Kosten der Programme und der Inhalte gehen. Vielmehr sehen wir hier die Politik in einer Mitverantwortung, dass die verlässlichen Partner auch weiterhin für uns Bestand haben. Wir brauchen konkrete und verbindliche Zusagen von Seiten des BR, die Nachwuchsförderung keinesfalls weiter einzuschränken, sondern vielmehr auf den Stand vor wenigen Jahren wieder auszubauen. Und wir brauchen dafür den Rückhalt von Seiten der Politik.

Die HFF ist eine prestigeträchtige Hochschule. Sie ist aber nur dann auch eine nachhaltige Institution, wenn sie eingebettet ist in eine starke bayerische Medienbranche und wenn sie einen starken BR mit einem klaren Commitment für die Generationen der Zukunft an ihrer Seite hat. Das sehen wir als einen wichtigen öffentlich-rechtlichen Auftrag.

Noch kann Bayern stolz sein auf diese Branche und die Impulse, die von ihr deutschlandweit und auch international ausgehen. Damit das so bleibt, müssen jetzt aber die richtigen Weichen gestellt werden.

Wir Studierenden der Hochschule für Fernsehen und Film bitten Sie daher, öffentlich für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Allgemeinen gemäß seines Auftrags, aber auch insbesondere für einen starken BR einzustehen. Fördern Sie eine lebhafte Debatte um die enorme Wichtigkeit des dualen Rundfunksystems und statten Sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch finanzielle Mittel so aus, dass fiktionale und dokumentarische Nachwuchsfilme auch in Zukunft möglich sind. Nur so kann Bayern weiterhin Vorreiter und Triebfeder sein für eine bedeutende und vielfältige Film- und Fernsehlandschaft.

Die Studierenden Ihrer Hochschule für Fernsehen und Film München




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Kommentare

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schnatterina am :

Dem BR sei Dank, endlich kommt Bewegung in die bayrische Filmförderlandschaft. Warum muss er fördern? Wäre es nicht die Pflicht des Freistaats?

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