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Kritik der SPIO am EU-Copyright-Paket

Nach der Novellierung des europäischen Urheberrechtsrahmens folgte Kritik von der deutschen Filmwirtschaft.



Nicht ganz zufrieden mit den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Novellierung des europäischen Urheberrechtsrahmens ist die deutsche Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO). Zwar hat die SPIO nach Vorlage des EU-Copyright-Paketes den Ansatz aus Brüssel begrüßt, eine faire Vergütung der Kreativwirtschaft zum Ausgangspunkt der Reformen zu machen und zudem klarere Regeln für alle Internet-Akteure festzulegen, dennoch sieht sie weiterhin das Territorialitätsprinzip in Gefahr, womit die EU Warnungen der deutschen Filmindustrie weiterhin in den Wind schlägt.  

Laut SPIO würde die Kommission nämlich mit dem für die Filmwirtschaft bedeutsamen Vorschlag über eine Verordnung zur Onlineübertragung von Rundfunkveranstaltern selbst nicht gerecht, da die Sender bei der Ausstrahlung eines Films nur noch die Onlinerechte für ein Land zu erwerben bräuchten, um sie europaweit z. B. für ihre Mediatheken nutzen zu können. Nach den Vorstellungen der Kommission soll das Herkunftsland-Prinzip aus der bisherigen Satelliten- und Kabelrichtlinie nun auch auf Online-Dienste der Sender angewandt werden.  

SPIO-Präsident Alfred Holighaus: „Mit diesem Regelungsvorschlag wird das Territorialitätsprinzip als Fundament der Filmfinanzierung ein weiteres Mal infrage gestellt. Für bestimmte Online-Dienste der Fernsehanbieter soll künftig das Modell ‚buy one, get 27 free‘ gelten. Gerade für unabhängige Produzenten und Verleiher aus Deutschland und anderen Mitgliedstaaten, die ihre Filme zumeist auf dem europäischen Lizenzmarkt vorfinanzieren, ist das eine schlechte Nachricht.“

Durch eine derartige Privilegierung von Sendeunternehmen würden unabhängige Produzenten und Filmverleiher nicht nur die Hoheit über die Auswertung ihrer Filme verlieren, sondern auch die Finanzierungsgrundlage für deren Herstellung.

Holighaus: „Statt eine faire Vergütung der Akteure der Filmwirtschaft anzustreben und Investitionen zu belohnen, werden die Machtungleichgewichte zwischen unabhängigen Filmproduzenten und großen Sendeunternehmen noch verstärkt.“
 
Die SPIO sieht hinsichtlich des am 14. September 2016 vorgestellten Vorschlags der EU-Kommission für eine neue Richtlinie zu Onlineübertragungen von Rundfunkveranstaltern auch durch den Hinweis im Verordnungsvorschlag, dass Produzenten und Sender weiterhin einzelvertraglich klären können, ob das Herkunftslandprinzip zur Anwendung kommt, keine Lösung, da fraglich ist ob das Herkunftsland-Prinzip tatsächlich zur Anwendung komme.

Holighaus: „Die EU-Kommission arbeitet im Fall ‚Online Access to Pay TV-Content’ (Sky Case UK) sowie über die Verordnung zum Geoblocking mit Nachdruck daran, die vertraglichen und technischen Grundlagen für die territoriale Filmauswertung in Europa zu verbieten. Ohne diese Möglichkeiten ist Vertragsfreiheit aber nicht umsetzbar.“

Die Reaktion der SPIO steht im Einklang mit der Kritik, die viele weitere Verbände, Organisationen und Unternehmen direkt im Anschluss an die Vorstellung des Copyright-Pakets erhoben hatten. So zählt die SPIO neben weiteren Spitzenverbänden der Kino-, Film-, TV- und Videoindustrie zu den insgesamt 16 Unterzeichnern eines Schreibens, in dem der EU-Kommission (wie in zahlreichen weiteren Stellungnahmen) vorgehalten wird, sie handele im Widerspruch zu den von ihr formulierten Zielen - und dies trotz einstimmiger und nachhaltiger Warnungen des europäischen Film-, TV- und Sportsektors.

In dem Schreiben heißt es unter anderem: "Der Vorschlag der Kommission widerspricht ihrer politischen Verpflichtung, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Europa anzukurbeln sowie ihrer im Vertrag von Lissabon niedergelegten Pflicht, die kulturelle Vielfalt in Europa zu respektieren. Der Wert von Rechten im audiovisuellen Sektor wird von der vorgeschlagenen Richtlinie nicht respektiert, denn ohne wirkliche Exklusivität hat 'Territorialität' keine Bedeutung."

Noch etwas harscher formulierte die Förderervereinigung der europäischen Regisseure (EFADs) ihre Kritik. In einem Schreiben, heißt es unter anderem: "Es ist beunruhigend zu sehen, dass die Kommission einen Vorschlag unterbreitet, der nicht auf Marktrealitäten fußt und das Potenzial besitzt, dem audiovisuellen Sektor massiv und nachhaltig zu schaden..."

VdF KINO fordert "Fakten statt Mythen"
Ins gleiche Horn bläst auch der Verband der Filmverleiher (VdF Kino e.V.). Als Reaktion auf ein Statement des Vorstandsvorsitzenden der AG Kino-Gilde - einem Verband in dem über 300 unabhängige Filmkunst- und Programmkinos in ganz Deutschland zusammengeschlossen sind - haben sich die Verleiher nochmals zur Frage der Sperrfristen positioniert und wenden sich dabei gegen das Argument, deutsche und europäische Filme würden überdurchschnittlich lange ausgewertet.

Dagegen relativierten Torsten Frehse, Geschäftsführer der Neue Visionen Filmverleih, und Björn Hoffmann ihre Haltung. Als Vertreter der AG Verleih - einem Zusammenschluss von derzeit 36 Verleih-Unternehmen, vom Mikro-Verleih bis zum Independent-Major - treten die beiden Herren für einen engeren Schulterschluss mit der AG Kino-Gilde im Sinne des Arthouse-Marktes ein. Dabei sparten sie zwar nicht mit Kritik im Detail, betonten aber vor allem die Gemeinsamkeiten, denn nicht alles, was die Kommission unlängst zu präsentieren hatte, stößt auf Ablehnung. Kreative Leistungen sind Europas größter Schatz, weshalb dafür gesorgt werden muss, dass Kreativität sich lohnt und insbesondere die vielen unabhängigen Unternehmen weiterhin für kulturelle Vielfalt sorgen können.

Rückkehr der Fensterdebatte durch US-Initiative.
Wie wir im BAF-Blog am 12. Dezember 2016 berichteten, hatte kürzlich Warner Bros. angekündigt, das Kinofenster in den USA zugunsten von Video on Demand (VoD) bei einigen Filmen streichen oder zumindest kürzen zu wollen. Und Netflix wie auch Amazon wollen zukünftig neben ihren Serienhighlights auch Kinofilme produzieren, die nur noch in einigen ausgewählten Kinos oder auf wenigen Festivals gezeigt werden dürfen, ansonsten aber exklusiv den Streaming-Giganten für die Online-Auswertung vorbehalten bleiben. Auch Apple plant Streaming aktueller Kinofilme. 25 bis 50 US-Dollar soll ein aktueller Film über iTunes kosten, wenn dieser noch im Kino läuft. Apple verhandelt angeblich schon mit Filmstudios, die der Idee gegenüber offen sind. Die Filme sollen zwei Wochen nach dem Kinostart erscheinen.

Sogar das Filmfestival Braunschweig (BIFF) hat am 21. November 2016 einen eigenen VoD-Kanal gestartet auf dem Produktionen des Festivals zu sehen sind, die bisher nicht in Deutschland verfügbar waren. Alle drei bis vier Wochen veröffentlicht das BIFF einen neuen Publikumsliebling aus dem Festival-Programm auf dem eigenen, neuen Video-on-Demand-Channel.

Festivaldirektor Michael P. Aust: „Mit unserer Plattform wollen wir vor allem Erfahrungen sammeln, um für die Zukunft gewappnet zu sein. VoD-Angebote lösen derzeit in vielen Zielgruppen sukzessive sowohl die DVD wie auch das TV ab. Ich sehe sie daher als bedeutenden Faktor für die weitere Entwicklung und Zukunftssicherung von Filmfestivals und denke, dass sie in naher Zukunft integraler Bestandteil des unterjährigen Kulturangebots von Filmfestivals und Kinos sein werden.“

Um dem Vorstoß der US-Majors etwas in Europa entgegen setzen zu können, plädiert auch die EU-Kommission auf mehr Freizügigkeit bei der Online-Auswertung. Deshalb soll das Territorialitätsprinzip nicht mehr für Mediatheken gelten. Das am 14. September 2016 veröffentlichte Copyright-Paket ist Bestandteil der EU-Strategie für einen digitalen Binnenmarkt und besteht aus einem Verordnungsvorschlag zur Onlineübertragung von Rundfunkveranstaltern, einem Richtlinienvorschlag u.a. zur Verlegerbeteiligung und Schrankenregelungen sowie einer Mitteilung zu weiteren Elementen des Digitalen Binnenmarkts.

Schulterschluss gegen die Expansion der Online-Mediatheken.
Wenn Kinofilme in Deutschland und Europa nicht mehr angemessen verwertet werden können, können sie auf Dauer auch nicht mehr entstehen. Dabei wird ein funktionierender und rentabler Online-Markt in Zukunft immer wichtiger. Auf ihrer Mitgliederversammlung am 1. Dezember 2016 in Berlin haben sich daher alle Verbände der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) in einem spartenübergreifenden Schulterschluss für ein gemeinsames Vorgehen auch gegen die Expansion der Online-Mediatheken von öffentlich-rechtlichen Sendern ausgesprochen.  

Dazu Alfred Holighaus, Präsident der SPIO: „Insbesondere diejenigen Filme, die nicht vollständig von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bezahlt werden, müssen die Chance haben, sich über eine kommerzielle digitale Auswertung überhaupt finanzieren zu können. Das ist aber nicht möglich, wenn diese Filme - wie nun geplant - in den Mediatheken von ARD und ZDF ständig verfügbar sind. Auf dem Spiel steht ein zukunftsfähiger Onlinemarkt für Kinofilme und mit ihm nichts weniger als die Zukunft des Filmstandorts Deutschland.“
 
Hintergrund der Initiative sind aktuelle Bestrebungen der Rundfunkkommission der Bundesländer, den Telemedienauftrag im Rundfunkstaatsvertrag auszuweiten. Danach sollen künftig die Onlineangebote der öffentlich-rechtlichen Sender wie Mediatheken und Live-Streams zeitlich unbeschränkt zur Verfügung gestellt, europaweit zugänglich gemacht und auf Plattformen von Drittanbietern wie Youtube und Facebook angeboten werden können.  

Flankiert werden diese nationalen Bestrebungen von einem Gesetzgebungsvorschlag der Europäischen Kommission, wonach für sogenannte ergänzende Onlinedienste von Rundfunkveranstaltern das Ursprungslandprinzip eingeführt werden soll, so dass sie mit einer nur auf Deutschland bezogenen Lizenz ihre Dienste europaweit zugänglich machen können. Damit wird das Territorialitätsprinzip für diese Dienste faktisch abgeschafft.

Schwindendes Interesse der Fernsehsender am deutschen Kinofilm.
Es gibt viele wichtige Filme, die alle nicht entstehen würden ohne Fernsehbeteiligung. Dennoch ist der deutsche Kinofilm ist ein Stiefkind im Fernsehen. Dabei könnten die Synergien zwischen Kino und Fernsehen ganz anders genutzt werden, indem man den Kinofilm auch als Kinofilm stärkt und dadurch eine spezielle Programmfarbe für sich schafft. Eine künstlerische Anerkennung in dem Sinne, dass man solche Filme stärker mitträgt und auch zu einer guten Zeit zeigt, würde den Wert des Kinos steigern und dem Fernsehen eine andere interessante Dimension geben.

Allerdings verlieren junge Zuschauer zunehmend das Interesse am Kino, aber auch am Fernsehen. Sie tummeln sich lieber in den sozialen Medien und der Hype der Serien durch private Anbieter wie Netflix & Co. verlagert ebenfalls seit geraumer Zeit das Interesse junger Menschen. So darf man sich nicht wundern, wenn manch Arthouse-Film schon nach kurzer Zeit nicht mehr im Kino zu sehen ist weil das Publikum fehlt. Bei einem deutlich frühzeitigeren Start der Auswertung auf Online-Kanälen würden die Marketingmaßnahmen, die kurz zuvor für die Kinoauswertung angewendet wurden auch noch für die Zweitverwertung greifen, wodurch sich auch Arthouse Filme einem breiteren Massenmarkt erschließen könnten, so der Filmkritiker Rüdiger Suchsland auf einer Veranstaltung im November, anlässlich des Berliner Filmfestivals »Around the World in 14 Films«.

Das Zeitfenster der Kinoauswertung für geförderte Produktionen ist beim deutschen Film zwar über das Filmförderungsgesetz (FFG) gesichert, beim Brot- und Buttergeschäft mit den US-Blockbustern aber drohen flexiblere Zeiten. Sie werden über kurz oder lang nicht mehr erst nach sechs Monaten auf DVD oder Blue-Ray zur Verfügung stehen, sondern schon nach wenigen Wochen auf VoD-Kanälen zu sehen sein. Und wer Streaming nutzt, gewöhnt sich das lineare Fernsehen ab, so ein Studie, die im Auftrag von Bitkom, dem IT-Branchenverband für digitale Medien durchgeführt wurde. Netflix hat das frühzeitig erkannt und setzt deshalb auf Eigenproduktionen, bei denen das Unternehmen alle Rechte besitzt, um die Werke in Kinos und im Streaming zeitgleich zu zeigen und weltweit einzusetzen.

Quellen: filmecho | Blickpunkt:Film | Golem | Bitkom | Spio

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