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Ulrikes Filmkritiken im Januar 2019, Teil 1 - und ein Rückblick auf 2018

Drei Filmkritiken und Ulrikes persönlicher Rückblick auf beste und schlechteste Filme des Jahres 2018.



Nachdem wir am 2. Januar 2019 unsere vermeintlich 50 besten (Arthouse) -Filme ohne explizite Rangfolge aufgelistet hatten, folgt jetzt unsere Filmkritikerin Ulrike Schirm mit einer eigenen in Kategorien unterteilten Liste, unter der nicht nur ihre Lieblingsfilme zu finden sind, sondern auch die meist gehassten Werke. Dass sich darunter mit Meryl Streep in Steven Spielbergs "The Post - Die Verlegerin" auch eine dreifache Oscar-Preisträgerin befindet, ist etwas unverständlich und muss sich wohl um eine persönliche Animosität handeln.

Vieles deckt sich dennoch mit unserer Einschätzung, auch wenn wir den kubanischen Film "Candelaria" leider nicht dabei hatten. Wir finden das neueste Werk aus Kuba, den Tanzfilm "Yuli", einfach noch besser.

Dieser erscheint nach seiner Weltpremiere im September 2018 auf dem Internationalen A-Filmfestival von San Sebastián, aber erst in den nächsten Tagen im Kino, genauer gesagt am 17. Januar 2019. Wir werden das Werk für die Liste des Jahres 2019 bereits schon jetzt ganz oben auf dem Treppchen der Highlights vormerken. Hier vorab der Trailer als Appetizer:



Doch bevor wir zu Ulrikes Bestenliste kommen, zunächst ihre Filmkritiken.

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"THE WIFE - Die Frau des Nobelpreisträgers" Drama von Björn Runge (Schweden, USA). Mit Glenn Close, Jonathan Pryce, Max Irons u.a. seit 3. Januar 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

'Morgenstund' hat Gold im Mund”¦ In aller frühe klingelt das Telefon bei dem Ehepaar Joan (Glenn Close) und ihrem Ehemann Joe Castleman (Jonathan Pryce).

Die Stimme am Telefon verkündet, dass er den Nobelpreis für Literatur in Stockholm verliehen bekommt. Joe's Traum geht in Erfüllung.

Ausgelassen hüpfen die Eheleute in ihrem Bett auf und ab. Freudig machen sie sich in Begleitung ihres Sohnes David (Max Irons) aus ihrer Heimatstadt Connecticut auf den Weg in die schwedische Hauptstadt. Das dieser Anruf ihr Leben nachhaltig verändern wird, ahnen sie nicht.

Während die Zeremonie der Preisübergabe akribisch vorbereitet wird, trifft sich Joan, die sich etwas überflüssig vorkommt, mit einem aufdringlichen Journalisten, Nathaniel Bone (Christian Slater), der sich vorgenommen hat, eine Biografie über ihren Mann zu schreiben. Zögerlich steht sie ihm Rede und Antwort. Je öfter sie ihn trifft, jetzt 40 Jahre später, nach ihrem Kennenlernen mit Joe, beginnt sie ihre Rolle als Ehefrau und Mutter in Frage zu stellen. In ihrer Ehe lief längst nicht alles so, wie es nach außen hin den Anschein hat. In Rückblenden wird ihre Geschichte erzählt. Die junge Joan wird von Glenns Tochter, Annie Starke gespielt.

Joan lernte ihren Mann am College kennen. Dort war er Dozent für kreatives Schreiben. Joan war eine seiner begabtesten Studentinnen. Wie es leider in den 50er Jahren so üblich war, gab sie ihre Ambitionen ihrem Mann zuliebe auf. Hinzu kam, dass schreibende Frauen damals so gut wie kaum anerkannt wurden.

(„Hinter jedem erfolgreichen Mann, steckt eine Frau, die ihm den Rücken frei hält“.) Bei einer Frage, nach ihrer Rolle in der Ehe, antwortet sie verschmitzt: „I´m the king-maker“.

Die Heile-Welt-Fassade bekommt Risse. Joan, die weit mehr ist als eine aufopfernde Ehefrau, die genervt ist, von den egomanischen Zügen ihres Mannes und dessen zahlreichen Affären, deckt seine Lebenslüge mit gekonnter Ironie nach und nach auf.

Bevor es zu einem Streit kommt, klingelt wieder das Telefon. Ihre Tochter verkündet die Geburt des Enkelkindes. Beide sind zu Tränen gerührt”¦

Close und Pryce sind großartige Spielpartner. Auch Slater, den man schon lange nicht mehr auf der Leinwand sah, besticht durch eine beachtliche schauspielerische Leistung.

Als Vorlage diente dem schwedischen Regisseur Björn Runge, der 2003 veröffentliche, gleichnamige Roman der US-Autorin Meg Wolitzer. Das Drehbuch schrieb Jane Anderson.

Herausgekommen ist „Bestes Schauspieler Kino“.

Ulrike Schirm


Nachtrag:
Hauptdarstellerin Glenn Close wurde heute Nacht bei der Verleihung der Golden Globes für ihre schauspielerische Leistung in „Die Frau des Nobelpreisträgers“ als beste Darstellerin in einem Drama ausgezeichnet. Alle vergebenen Preise haben wir in unserem Eintrag von gestern als UPDATE aufgelistet.

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"COLETTE" Biopic von Wash Westmoreland (USA, Großbritannien). Mit Keira Knightley, Dominic West, Eleanor Tomlinson u.a. seit 3. Januar 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

"Frankenstein" oder der moderne Prometheus, diesen Roman schrieb die 19-jährige Engländerin Mary Shelley 1816. Ein Meisterwerk der Literaturgeschichte.

Der Film „Mary Shelley“ begleitet sie, bis zur Veröffentlichung ihres Buches.

Großgeworden ist sie in einer ziemlich armen Familie, ihr Vater William Godwin, Philosoph und Buchhändler, der bekannt war für seine anarchistischen Schriften. Ihre Mutter, Mary Wollstonecraft, die wenige Tage nach ihrer Geburt starb, („Krieger, wie deine Mutter, haben nie lange gelebt“, Worte ihres Vaters) veröffentlichte 1792 eine für damalige Zeiten bedeutende Schrift, mit dem Titel: “Eine Verteidigung der Rechte der Frau“. Ihr Hauptwerk ist die Untersuchung über die „Politische Gerechtigkeit“, 1793. Ein Werk, dass als „utopischer Anarchismus“ bezeichnet wird. Obwohl die junge Mary (Elle Fanning) ihre Mutter nicht kannte, wird diese von ihr vergöttert.

Die Anfangsszene zeigt Mary, wie sie am Grab ihrer Mutter sitzt und Horrorromane liest. In ihrer Freizeit liebt sie es Gothic- Stories zu schreiben. Zuhause läuft alles ziemlich chaotisch ab, es dreht sich alles um Lesen und Schreiben. So richtig wohl fühlt sie sich nicht, da sie sich mit ihrer Stiefmutter nicht versteht. Ihr Vater macht kurzen Prozess und schickt Mary nach Schottland, wo sie bei Verwandten unterkommt. Dort soll sie sich ihrem grossen Talent, der Schriftstellerei widmen, ihre eigenen Worte finden, nicht die Worte anderer.

Sie lernt den jungen wilden Poeten Percy Bysshe Shelley (Douglas Booth) kennen und verliebt sich in ihn. Es entwickelt sich eine stürmische Liebesbeziehung, die von Höhen und Tiefen gekennzeichnet ist. Zu der sich später noch ihre Stiefschwester Claire (Bel Powley) dazugesellt, eine Ménage á trois. So nach dem Motto, wir sind doch unkonventionell und frei.

Das Geld ist knapp und Percy, der schon ein Kind aus erster Ehe hat, ist nicht sehr erbaut als Mary schwanger wird und ein Frühchen zur Welt bringt, das kurze Zeit später stirbt. Mary fällt in eine Depression.

Um sich abzulenken, fahren sie nach Genf, wo sie sich mit dem exzentrischen, berühmten, selbstverliebten Lord Byron und dem Wissenschaftler John Polidori auf Byron's Anwesen treffen. Es war regnerisches Wetter, alle langweilten sich, Byron schlug vor, jeder solle doch etwas schreiben und sie schlossen eine Wette ab, wessen Traktat das bessere ist. So entstand der berühmte Roman "FRANKENSTEIN", geschrieben von einer Frau, gerade mal 19 Jahre alt, die darin verklausuliert ihren Schmerz, ihre Einsamkeit an der Seite eines sorglosen Hallodris und ihre traurige Entfremdung in Gestalt eines Schauerromans schildert.

Man könnte es als einen Geniestreich bezeichnen. Besonders, da Fanning ihre Rolle sehr ernsthaft und aufrecht spielt und ihre Emotionen hinter einer fast coolen Fassade versteckt. Ein bisschen mehr Radikalität hätte ihr gut getan.

Haifaa Al-Mansour („Das Mädchen Wajda") erzählt die Geschichte aus Marys Sicht, die sich in einem unschönen Strudel von Ereignissen befindet, denen leider oftmals eine innere Logik fehlt.

Worum geht es in "FRANKENSTEIN?" Es ist die Geschichte eines jungen Wissenschaftlers, der sich mit Chemie beschäftigt, forschte und experimentierte, solange, bis es ihm gelang, tote Materie zu beleben. Er schuf aus Leichenteilen ein Wesen, ein Monster, hässlich und abstoßend. Man geht stark davon aus dass sich hinter dem Monster die Person Percy Shelley verbirgt.

Ulrike Schirm


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"BEN IST BACK" Drama von Peter Hedges (USA). Mit Julia Roberts, Lucas Hedges, Courtney B. Vance u.a. ab 10. Januar 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Ivy (Kathryn Newton) ist entsetzt als ihr jüngerer Bruder Ben (Lucas Hedges) plötzlich zu Weihnachten vor der Tür steht. Zwei Weihnachtsfeste hat er schon versaut. Eigentlich sollte er noch in der Entzugsklinik sein, um seine Drogensucht in den Griff zu kriegen. Ben scheint es äußerlich gut zu gehen und so schlägt seine Mutter Holly (Julia Roberts) ihm vor, dass er einen Tag bleiben kann, unter der Bedingung, dass sie ihn keine Sekunde aus den Augen lässt. Danach muss er wieder zurück in die Reha. Sein Stiefvater Neal (Courtney B. Vance) bleibt misstrauisch. Bens kleine Stiefgeschwister sind überglücklich, dass ihr grosser Bruder wieder da ist.

Beim Einkaufen, treffen Holly und Ben zufällig den Arzt, (er ist inzwischen dement), der ihm die süchtig machenden Schmerzmittel verschrieben hat. Holly`s Gefühle sind aufgewühlt, in ihrer Wut schreit sie ihn an: „Ich wünsche ihnen einen qualvollen, schmerzhaften Tod“.

Während die Familie in der Kirche ist, wird bei ihnen eingebrochen. Nur der Hund ist weg. Offensichtlich ein Racheakt, der Ben galt. Mutter und Sohn machen sich auf die Suche nach dem Tier. In einem unbeachtetem Moment haut Ben mit dem Auto seiner Mutter ab und macht sich auf eigen Faust auf die Suche”¦

Bens dramatische Vergangenheit holt ihn ein.

Holly ist verzweifelt. So sehr sie ihren Sohn liebt, so sehr fürchtet sie auch seine Krankheit. Sie setzt alles daran, ihr Kind zu finden und macht sich auf das Schlimmste gefasst. Aus Liebe zu ihm, entwickelt sie übermenschliche Kräfte, bis sie begreift, dass sie ihm nicht helfen kann.

Schon in „Manchester By The Sea“ (2016) zeigte Hedges sein schauspielerisches Talent, in der aufwühlenden Darstellung eines zu einem Waisen gewordenen Teenagers. Er wurde dafür mit einer Oscar-Nominierung belohnt. In „Three Billboards Outside Ebbing Missouri“ sah man ihn als Frances McDormands Sohn, sowie in „Lady Bird“.

Unter der Regie seines Vaters Peter Hedges spielt er Ben, der in seiner inneren Zerrissenheit zwischen der Sehnsucht nach einem normalen Leben und der lauernden Sucht hin und hergeworfen wird, mit unglaublicher Intensität und Feingefühl.

Auch Julia Roberts in ihrer Performance als leidenschaftlich Mutter, die wie eine Löwin um ihren Sohn kämpft, um dann festzustellen, dass Ben sich nur alleine helfen kann, wenn überhaupt, spielt so stark, wie lange nicht mehr. Ein schonungsloses Drama, voller Hoffnung und Verzweiflung.

Ulrike Schirm


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ULRIKES FILMLISTE 2018

Beste Filme:

THE FLORIDA PROJEKT, GLÜCKLICH WIE LAZZARO, LUCKY, THREE BILLBOARDS OUTSIDE MISSOURI, BLACK kKLANSMAN, AN ELEPHANT IS SITTING STILL, CALL ME BY YOUR NAME, SHOPLIFTERS, LEAVE NO TRACE, BOHEMIAN RHAPSODY, MARVIN.

Zweitbeste Filme:
LOVELESS, A STAR IS BORN, LETO, A SHAPE OF WATER, I, TONYA, GEGEN DEN STROM, NICO, SAVAGE, DIE SPUR.

Drittbeste Filme:
ISLE OF DOGS, FEINDE – HOSTILES, NICO, WINDRIVER, DOGMAN.

Viertbeste Filme:
INCREDIBLE 2, DESTINATION WEDDING, CANDELARIA – EIN KUBANISCHER SOMMER, 3 TAGE IN QUIBERON, A QUIET PLACE, A CAKEMAKER, MEINE TOCHTER – FIGLIA MIA, A BEAUTIFUL DAY, PIO, LADY BIRD.

Beste deutsche Filme:
DER HAUPTMANN, NACH DEM URTEIL, ZWISCHEN DEN GÄNGEN, NAOMIS REISE, DAS SCHÖNSTE MÄDCHEN DER WELT, STYX., 25 km.

Beste deutsche Dokfilme:
GARTEN DER STERNE, ZENTRALFLUGHAFEN, MR. GAY SYRIA, SPK KOMPLEX.

Beste Wiederaufführung:
DER HIMMEL ÜBER BERLIN

Shitliste:

DIE VERLEGERIN, SUPERDADDY, BOOKCLUB, DER ANDERE LIEBHABER, STEIG.NICHT.AUS!, ABGESCHNITTEN, VERPISS DICH SCHNEEWITTCHEN, WOHNE LIEBER AUSSERGEWÖHNLICH, FIFTY SHADES OF GREY, MORTAL ENGINES, MARIA MAGDALENA, INTRIGO – TOD EINES AUTORS.

Ulrike Schirm



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