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»Hot Dog« vs »Three Billboards« - die Kinoneustarts in der Kritik

Einer der besten US-Independent Filme muss sich gegen deutschen Mainstream behaupten.



Berlin blieb zwar vom Sturmtief "Friederike" letzte Woche verschont, insgesamt setzte der Orkan über Deutschland aber dem Kinobesuch kräftig zu, während der ARD-"Brennpunkt" am 18. Januar 2018 mit 7,97 Mio. Zuschauern das meist gesehene Programm des Tages war.

Im Kino verteidigte "Star Wars: Die letzten Jedi" dennoch haarscharf die Spitzenposition gegen Neuling "Hot Dog". Nach der Wetterberuhigung zum Wochenende kehrte sich das Blatt allerdings um und die Komödie mit Til Schweiger und Matthias Schweighöfer übertrumpfte nach einem Start in 621 Kinos mit 12.000 verkauften Tickets am letzten Wochenende knapp die "Jedis", durch eine aufgestockte Kinoanzahl mit 647 Leinwänden und kam dadurch auf 150.000 Besuchern mit 1,31 Mio. Euro Umsatz. In der zweiten Woche lies das Besucherinteresse aber wieder nach, sodass der Film derzeit wieder direkt hinter den "Star Wars" auf Platz fünf der Charts steht.

Bei unserer Filmkritikerin Ulrike kam der deutsche Mainstream-Film ebenfalls nicht besonders an, während sie von "Three Billboards outside Ebbing, Missouri", der diese Woche startet, regelrecht schwärmte. Der Film gehört tatsächlich zum Besten was derzeit das Kino zu bieten hat. Bleibt zu hoffen, dass auch das Arthouse-Publikum dies goutiert. Zum Start am Donnerstag, den 25. Januar 2018 in nur 118 Kinos, kamen immerhin 10.500 Kinogänger, was den Film an diesem Tag auf Platz zwei und auf ein Einspiel von 85.000 Euro katapultierte.

Auf Platz eins landete das emotionale Familiendrama "Wunder" über einen Jungen mit verunstaltetem Gesicht, das von uns heute besprochen wird. Wegen der zugkräftigen Namen wie Julia Roberts und Owen Wilson in den Hauptrollen der Erwachsenen startete der Film in 455 Kinos mit 15.000 Besucher diesen Donnerstag und spielte 125.000 Euro ein.

Auf Platz drei hielt sich am letzten Wochenende nach fünf Wochen Laufzeit "Dieses bescheuerte Herz" weiter ausgezeichnet direkt hinter "Hot Dog" und "Star Wars" mit 132.000 Zuschauern und 1,11 Mio. Euro Umsatz.

Der von uns letzte Woche besprochene Neustart "Die dunkelste Stunde" mit Gary Oldman als Churchill startete in 131 Kinos und landete am Wochenende mit ca. 60.000 Zuschauern und ca. 535.000 Euro Einspiel in 139 Kinos nur auf Platz 9.

Zwei Plätze davor lag auf Platz 7 "Downsizing", die Komödie von Alexander Payne mit Matt Damon, dessen Besprechung heute folgt. Sie startete in 282 Kinos mit 77.000 Zuschauern und 710.000 Euro Umsatz.

Auf Platz 17 befand sich ziemlich abgeschlagen letzte Woche "Hannah - Ein buddhistischer Weg zur Freiheit", der ebenfalls von uns besprochen worden war, mit 1.750 Kinogängern und 12.500 Euro Umsatz in 62 Kinos.

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"DOWNSIZING" Sci-Fi-Komödie von Alexander Payne (USA). Mit Matt Damon, Kristen Wiig, Christoph Waltz u.a. seit 18. Januar 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Mehr durch Zufall, als wirklich gewollt, hat ein norwegischer Wissenschaftler ein Serum entdeckt, mit dem man die Menschen zu Winzlingen schrumpfen kann, Downsizing genannt. In einer Welt, in der die Ressourcen so gut wie ausgeschöpft sind, Umweltverschmutzung und drohende Hungersnöte immer mehr voranschreiten, scheint die Verkleinerung des menschlichen Körpers die ideale Lösung zu sein. Weniger Wasser-und Energieverbrauch, weniger Müll, weniger Umweltdreck. Unsere Erde wäre gerettet. Zwölf Zentimeter große Winzlinge leben fortan in ihrer kleinen Miniwelt.

Paul Safranek (Matt Damon) ein glückloser Mittelstandsbürger, von Beruf Physiotherapeut, horcht auf, als er im Fernsehen Werbung für „Leisureland“ sieht. Versprochen wird ein Leben in Saus und Braus, wohnen in Luxusvillen, sorglos, ohne Müll und steuerfrei. Als Bonus rettet man auch noch die Erde vor ihrem Untergang. Man muss nichts weiter tun, als sich verkleinern zu lassen. Endlich kann Safranek seiner Frau (Kristen Wiig) ein luxuriöses Leben bieten. Ohne zu zögern begeben sie sich in die Klinik. Köstlich wie die Prozedur vonstatten geht. Entfernung der Zahnprothesen, Neueinsatz von Miniteilen, Ganzkörperrasur und das vorsichtige Umbetten der kleinen Körper mit Hilfe von herkömmlichen Wendehebern, wie man sie aus dem Haushalt kennt.

Aus der Narkose erwacht, gilt sein erster Gedanke seinem besten Stück. Erleichterung. Es ist alles in Ordnung. Was fehlt ist seine Frau. Die hat sich ängstlich aus dem Staub gemacht. Paul ist allein in der neuen Miniwelt. Ziemlich schnell stellt er fest, dass er in einer Gesellschaft von Egoisten gelandet ist, deren einziges Vergnügen im Konsum von Luxusgütern besteht. Was außerhalb ihrer Minienklave passiert ist ihnen egal. Ein abschreckendes Beispiel, Christoph Waltz, als partyfreudiger, drogenkonsumierender breitgrinsender Playboy, der mit Freund Udo Kier so richtig die Sau raus lässt. Das Saubermachen überlässt man der vietnamesischen Putzfrau (Hong Chau). Alles wie gehabt. Sie wurde als Dissidentin zwangsverkleinert und floh in einem Fernsehkarton.

Bis hierhin ist die Sozialsatire wirklich originell und teilweise urkomisch. Doch dann kippt das Ganze und wird zu einem Sozialdrama, als Hong Chau Paul mitnimmt in die Slums von Leisureland. Dort hausen Flüchtlinge, Außenseiter, Kranke, all die, die man mit dem Begriff Looser abqualifiziert. Safranek und die forsche Putzfrau werden ein Paar. Am Ende befinden sie sich in Norwegen und müssen entscheiden, ob sie sich einer Gruppe von Aussteigern anschließen oder nicht.

Alexander Paynes (About Schmidt) Gesellschaftssatire ist ein Gemisch aus skurrilem Humor, Augenzwinkern und Ironie. Unübersehbar seine unterschwellige Kritik an der Trumpschen Inszenierung des amerikanischen Traums von einem reichen Land und üppigem Konsum für Jedermann. Das hätte er sich schenken können. Dadurch bekommt die Groteske belehrbare Züge, die sie nicht gebraucht hätte.

Ulrike Schirm


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"HOT DOG" Action-Komödie von Torsten Künstler (Deutschland / Warner Bros.). Mit Til Schweiger, Matthias Schweighöfer, Heino Ferch u.a. seit 18. Januar 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Warum sollte man sich große Mühe machen, indem man eine wohlausgefeilte Geschichte schreibt, warum die Mühe machen und glaubhafte Charaktere etablieren, wenn man Schweiger und Schweighöfer in ein- und demselben Film eine Hauptrolle anvertraut. Ihr Publikum ist ihnen auch bei einer kruden Story sicher.

Der GSG10 Agent Luke Steiner (Til Schweiger) setzt sich im Eifer des Gefechts gerne über Vorschriften hinweg.Nach 43 Einsätzen und zig Abmahnungen ist Schluss mit lustig. Über seinen Ungehorsam kann er jetzt als Wachmann im Schloss Bellevue nachdenken.

An seiner Seite der hochbegabte Theo (Matthias Schweighöfer), der über ein phänomenales fotografisches Gedächtnis verfügt aber ein nervtötender Klugscheißer ist und gleichzeitig eine große Bewunderung für den raubeinigen aber durch und durch coolen Steiner hegt.

Nebenbei erfährt man, dass Theo noch „Jungmann“ ist, was natürlich Stoff für so manch schrägen Witz liefert, man kann sagen, mit Fäkalhumor wird nicht gegeizt. Dass die quietschige Quasselstrippe Steiner gehörig auf die Nerven geht, ist klar. Als die Tochter des moldawischen Präsidenten (Lisa Tomaschewsky) trotz ihrer Aufsicht entführt wird, ist das Mass voll. Beide werden vom Dienst suspendiert. Für Theo eine Katastrophe. Hat er sich doch ausgerechnet in dieses Wesen verliebt.

Diese Schmach lässt Steiner nicht auf sich sitzen. Ohne Auftrag verfolgen sie die Kidnapper auf eigene Faust. Das führt zu teilweise reichlich übertriebenen Actionszenen, in ihrer Begleitung die Computerhackerin Nicki (Anne Schäfer), deren Anwesenheit natürlich auch wieder zu schlüpfrigem Humor führt. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Um die derbe Komödie zu finanzieren, gibt es jede Menge „Produktwerbung“, zu sehen und zu hören.

Von cineastischem Arthouse keine Spur. Die Fans werden aber trotzdem an diesem Buddy-Movie ihre Freude haben und so richtige Kumpel sowieso.

Ulrike Schirm


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"THREE BILLBOARDS Outside Ebbing, Missouri" Dramödie von Martin McDonagh (Großbritannien, USA) mit Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell u.a. ab 25. Januar 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

"BRÜGGE SEHEN”¦UND STERBEN" von dem irischen Dramatiker und Regisseur Martin McDonagh ist mir noch in bester Erinnerung. Die schwarz-humorigen Dialoge waren derartig humorvoll, dass man während der Vorstellung Tränen lachte. Mit "THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI" kommt sein neuestes Werk in die Kinos, das ein wahrer Knaller ist.

Ort der Handlung Ebbing, Missouri ein idyllisch anmutende Gemeinde, doch die Kulisse täuscht. Die Einwohner sind geprägt von spießigen Vorurteilen gegen alles was anders und fremd ist.

Hier lebt Mildred Haste, deren Tochter brutal vergewaltigt und ermordet wurde. Die Ermittlungen der örtlichen Polizei stagnieren. Mildred (Frances McDormand) kann es nicht fassen, dass das Leben für alle so weitergeht, als sei nichts geschehen. In ihrer Verzweiflung und Wut beschließt sie drei Werbetafeln zu mieten und mit provokanten Sätzen, den örtlichen Polizeichef (Woody Harrelson) anzuklagen.

Blutroter Hintergrund, schwarze Schrift:




Es bleibt der Eindruck, die spießige Gemeinde ist über das Aufstellen der Tafeln stärker entsetzt als über den Mord.

Selten liegt einem Film so ein exzellent geschriebenes Drehbuch zu Grunde. Gespickt mit Dialogen, die gekonnt zwischen dramatischen und komödiantischen Momenten hin- und her Switchen, eine Geschichte, bei der man absolut nicht weiß, wo sie hinführt, brillante Szenen, denen man folgt und nicht weiß, was im nächsten Augenblick passiert.

McDormand spielt mit so einer Kraft und Härte, getrieben von ihrer Verzweiflung nach Gerechtigkeit, kombiniert mit scharfem Witz, dass man trotz aller Dramatik stellenweise hell auflacht. Ganz Ebbing sieht in ihr nicht mehr die Trauernde sondern nur noch eine Unruhestifterin.

Jede Figur ist originell und auf den Punkt gezeichnet und treibt die Handlung mit großartig unvorhersehbaren Einfällen voran. Nein, ich verrate nichts über den Handlungsverlauf. Es ist unglaublich gut, wie die bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Nebenfiguren agieren und wie bei einem Zahnrad ineinandergreifen. Das muss man einfach selber sehen. Ob Woody Harrelson oder Sam Rockwell und, und, und. Jeder ist auf seine Weise derartig gut, dass es eine helle Freude ist. Die Einfälle sind genial pointiert und witzig erzählt. Ganz, ganz grosses Unterhaltungskino.

Ulrike Schirm


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"WUNDER" Familiendrama von Stephen Chbosky (USA). Mit Julia Roberts, Jacob Tremblay, Owen Wilson u.a. seit 25. Januar 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Herzergreifend ist die Geschichte des 10-jährigen Auggie (Jacob Tremblay) , der außer Haus am liebsten einen Astronautenhelm trägt. Ein seltener Gendefekt hat sein Gesicht entstellt. 27 Operationen hat der kleine Kerl hinter sich. Da er oft krank war, wurde er von seinen Eltern (Julia Roberts) und (Owen Wilson) zu Hause unterrichtet. Nun haben sie entschieden, Auggie in einer normalen Schule in der 5. Klasse anzumelden. Nur zu gut weiß er, dass er kein normaler Junge ist.

Auf dem Spielplatz nehmen Kinder schreiend vor ihm Reißaus. Wenn er seinen Helm nicht trägt, schaut er tief zu Boden, damit man sein Gesicht nicht sieht. Halloween ist sein schönstes Fest. Unter seinem Kostüm kann er endlich aufrecht gehen.

Voller Angst und Scheu betritt er das Schulgebäude. Wie soll so jemand wie er Freunde finden.

Auch wenn es für ihn trauriger Alltag ist angestarrt zu werden und höhnische Bemerkungen zu ertragen, ist es immer wieder ein Gräuel, da hinzugehen, wo er auf andere Kinder trifft. Mit Tränen in den Augen schaut ihm seine Mutter hinterher, als er tapfer in dem Schulgebäude verschwindet. Schon hört er wie hinter seinem Rücken das Wort Missgeburt die Runde macht.

Auch wenn Auggies Kampf um Anerkennung im Mittelpunkt der Geschichte steht, werden die Nebenfiguren nicht vernachlässigt. Da gibt es Summer, die den Mut aufbringt, sich in der Mensa zu ihm zu setzen und schon früh bemerkt hat, dass Auggie ein cleverer und witziger Junge ist. Auch Jack (Noah Jupe), der von seiner Mutter ermuntert wird, sich mit Auggie anzufreunden, hadert mit sich, vor dem Rest der Klasse zuzugeben, dass er sich mit dem „Monster“ trifft und sie mittlerweile gute Freunde sind. Auch für seine Schwester Olivia (Izabela Vidovic) ist es nicht immer leicht. Alles dreht sich in der Familie um das „Sorgenkind“ Auggie.

Regisseur Stephen Chbosky charakterisiert die Kinder nicht als herzlose Wesen , sondern zeigt, dass das ablehnende Verhalten gegen den merkwürdig aussehenden Jungen auf der Unfähigkeit und Verunsicherung mit Andersartigkeiten umzugehen basiert.

Auch wir, die Zuschauer bekommen die Möglichkeit über unser eigenes Verhalten nachzudenken und freundlicher und mitfühlender zu werden und dem Gefühl, welches wir nur zu gerne verstecken, mehr Raum in unserem Leben zu geben. Ein Außenseiter muss kein Außenseiter bleiben.

Taschentücher nicht vergessen, denn was wir hier sehen ist unsentimentales grosses Gefühlskino. Der schönste Satz, den Olivia gegen Ende sagt: „Auggie, you are a wonder“!

Ulrike Schirm


Quellen: Comscore | Blickpunkt:Film


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