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Medienboard bilanziert Rekorde - doch beim Filmerbe gibt's Streit unter den Ländern

Zwei Bundesländer blockieren die Digitalisierung des Deutschen Filmerbes.



Mit Rekordwerten konnte Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin des Medienboards Berlin-Brandenburg, bei der Bilanzpressekonferenz am Dienstag, den 22.08.2017 für das Jahr 2016 aufwarten. So wurden sowohl beim Regionaleffekt als auch beim Regionaleffekt im Bereich Produktionsförderung mit 473 bzw. 566 Prozent Bestwerte erzielt.

Insgesamt förderte das Medienboard im vergangenen Jahr 336 Projekte mit rund 32 Mio. Euro; die Ausgaben, die dadurch in Berlin und Brandenburg ausgelöst worden waren, stiegen im Jahresvergleich um 15 Mio. Euro auf rund 150 Mio. Euro an. Mit 26,9 Mio. Euro entfiel ein Großteil der Fördersumme auf 229 Film-, TV- und Serienprojekte, Verleih und Vertrieb sowie Festivalauftritte. Außerdem wurden 107 Projekte in den Bereichen Innovative Audiovisuelle Inhalte (5,3 Mio. Euro), Festivals, Preise oder Weiterbildungsinitiativen (3,5 Mio. Euro) sowie serielle Formate (1,8 Mio. Euro) gefördert.

An rund 5.000 Drehtagen in Berlin und Brandenburg gedreht - auch dies ein neuer Rekordwert. Allerdings gibt es mittlerweile Personalengpass in der Region. Am Film- und Fernsehstandort Berlin-Brandenburg werden teils händeringend Fachkräfte gesucht, schrieb hier der Tagesspiegel.

Zur Sprache kam auch das von der Bundeskulturministerin Monika Grütters angestoßene Bündnis für die Digitalisierung des Deutschen Filmerbes, das von zwei Bundesländern derzeit blockiert wird.

Dazu ein Kommentar von Katharina Dockhorn:

Niedersachsen und Baden-Württemberg. Diese beiden Bundesländer blockieren die Einigung um das Bündnis für die Digitalisierung des Deutschen Filmerbes. Seit Jahren streiten sich Bundes- und Länderpolitiker, wie sie zehn Millionen Euro aufbringen, damit die Filmschätze der vergangenen Jahrzehnte im digitalen Zeitalter sichtbar bleiben. Ein Drittel der Summe soll jeweils der Bund, der im kommenden Haushalt endlich die benötigte Summe eingestellt hat, die Länder nach dem Königsteiner Schlüssel und die Filmwirtschaft übernehmen, für die die FFA eingesprungen ist. Im September, so hofft Berlins Staatssekretär Björn Böhning, werden nun auch die letzten Zweifler ihren Segen geben und das Bündnis stehen.

Die Blockade durch die einzige von den Grünen angeführte Landesregierung zeigt, wie schwer es Bundes- und Landespolitiker in den Parteien fällt, ihre Konzepte abzustimmen. Während Tabea Rößner, filmpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, vehement im Bund für das Bündnis wirbt und die Bundesregierung für ihre zögerliche Haltung kritisiert, blockieren ihre Parteifreunde im Südwesten die Einigung.

Andere etablierte Parteien sind nicht besser, wie die Bilanzpressekonferenz des Medienboards Berlin-Brandenburg am Dienstag bewies. Seit Jahren sind die Zahlen äußerlich beeindruckend, Berlin bleibt Deutschlands Drehhauptstadt. Hier tobt die kreative Szene, was schon Brandenburg spürt. Die Drehorte suchen sich die Filmemacher zunehmend im Berliner Umland, Spreewald, Uckermark oder Prignitz werden zu Filmfreien Zonen.

Der sogenannte Regionaleffekt ist wie immer hoch, für einen Euro Medienboard-Förderung werden fünf in der Region ausgegeben. Eine Mogelpackung, wie der Rechnungshof Brandenburgs im Vorjahr rügte. Die Wächter mahnten an, dass jeder rein deutscher Film bis zur Hälfte des Budgets mit öffentlichen Mitteln gefördert ist, also nur zwei Euro privater Investitionen auf ein Euro Steuergeld kommt.

Die regionalen Förderer stellen dagegen ihre eigene Fördersumme den Ausgaben gegenüber. So werden Mittel von der FFA, die von der Medienbranche selbst aufgebracht werden, Geld von Fernsehsendern oder aus dem Bundeshalt zu privaten Investitionen. Berlin profitiert überproportional vom Deutschen Filmförderfonds oder der Kulturellen Filmförderung des Bundes. Geschichten sind in der quirligen Großstadt angesiedelt, viele Kreative wohnen in der Stadt. Nicht zuletzt haben Länder wie Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern keine eigene wirtschaftliche Filmförderung aufgelegt. Die von ihren Einwohnern aufgebrachten Steuermittel für die Filmförderung des Bundes werden in den Metropolen Berlin, München, Köln oder Hamburg ausgegeben.

Doch so lange alle Regionalförderer mit diesem Trick glänzen, der für die Außendarstellung bei den öffentlichen Geldgebern wichtig ist, wird sich nichts ändern. Auch nicht durch die Erkenntnis, dass die geförderten Arthouse-Filme immer weniger Zuschauer finden. Das studentische Publikum, aufgewachsen im Computerspielalter und dem „Herrn der Ringe“, bevorzugt andere Werke.

Doch über eine Verschiebung der Förderschwerpunkte wollen die Berliner und Brandenburger Politik nicht gemeinsam mit dem Medienboard nachdenken. Dabei beklagen sie, dass die aufstrebende Games-Branche oder die boomenden Serien nicht ausreichend gefördert werden können. Die Regionalpolitik lässt den Spielball links liegen, den Kulturstaatsministerin Monika Grütters in ihr Feld gespielt hat. Indem sie die Mittel für die Filmförderung des Bundes signifikant erhöht hat, bleiben bei den regionalen Förderern Spielräume für andere Aktivitäten.

Stattdessen träumt Björn Böhning von einer großen Bundeslösung, die die Zersplitterung der deutschen Film- und Serienförderlandschaft ablösen soll. 18 regionale- und Bundestöpfe, deren Verwalter sich nicht mal auf einheitliche Antragsformulare einigen können, machen den Produzenten heute das Leben schwer.

Games, Serien und Film sollten nach Böhnings Vision nach einheitlichen Richtlinien und in wenigen Institutionen gefördert werden. Die Erfahrungen aus den jahrelangen quälenden Diskussionen um die Digitalisierung der Kinos und des Filmerbes lassen erahnen, dass dies ein langer Weg bis zu solcher Lösung sein wird.

Einige Unternehmen sind dann vielleicht schon pleite. Das Studio Babelsberg hat gerade wieder eine Zitterpartie hinter sich. Sechs Monate mussten die Geschäftsführer auf die Richtlinien für den im Februar von Grütters angekündigten DFFF2 für internationale Großprojekte warten. Sie mussten zwischen den Beamten von Wolfgang Schäuble und Monika Grütters abgestimmt werden. Erst jetzt können sie ihre Angebote für internationale Großprojekte für dieses Kalenderjahr wieder seriös kalkulieren. Zu hoffen ist, dass das Geld des neuen DFFF2 noch abgerufen werden kann und nicht verfällt.

Der DFFF bleibt im internationalen Vergleich ein schwaches Schwert, auch wenn er im kommenden Jahr nochmals erhöht wird. Es bleibt die Ungewissheit, ob nach wenigen Monaten des Kalenderjahres überhaupt noch Geld vorhanden ist – schon mit drei Großprojekten wäre er ausgeschöpft. Die Bundesregierung lehnt aber ein lineares Unterstützungssystem, mit dem Litauen, Malta, Ungarn oder Großbritannien die großen Hollywood-Projekte anlocken, ab. Die Briten geben jedem Produzenten ein Viertel des auf der Insel ausgegebenen Budgets automatisch zurück.

Dieses Instrument bräuchte auch Deutschland, lassen Medienboardgeschäftsführerin Kirsten Niehuus und Böhning anklingen, Allerdings hat sich dies in seiner Partei nicht rumgesprochen, die bekanntlich in der Regierung sitzt. Das Wahlprogramm der SPD verspricht zudem, den DFFF ausbauen. Was im Übrigen auch für die CDU/CSU gilt.

Katharina Dockhorn


Link: www.medienboard.de
Quellen: BAF | Tagespiegel | Medienboard | Blickpunkt:Film


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