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Zur Zukunft des Urheberrechts und der grenzüberschreitende Verbreitung von Online-Inhalten

Wichtige Weichenstellung bei Video-on-Demand-Angeboten (VoD), aber noch keine Entwarnung für die deutsche Filmwirtschaft.



Bisher herrschte die Meinung vor, dass das Europa-Parlament einen europäischen Binnenmarkt auch im Online-Bereich schaffen will. Bei der europäischen Kommission ging man bisher davon aus, ein Verbot von Geoblocking-Maßnahmen einführen zu müssen, um einen europaweiten Zugriff auf alle Video-on-Demand-Angebote (VoD) zu ermöglichen.

Doch bei den letzten EU-Beratungen zur territorialen Rechteverwertung, die am 22. Juni 2017 stattfanden, wurden von den Ausschüssen Kultur und Industrie des Europaparlaments weitreichende Änderungen ausgeschlossen, denn durch Abschaffung des Geoblockings würden die bisherigen Auswertungsfenster im Bereich der Kino- und Fernsehvermarktung unterlaufen.



Die Produzentenallianz begrüßt das Ergebnis der EU-Beratungen.

„Wir begrüßen das Ergebnis der Beratungen vom 22. Juni 2017 in den beiden Ausschüssen des Europa-Parlaments. Es zeigt, dass sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es eine Vielfalt des audiovisuellen Schaffens in Europa nur geben kann, wenn die Voraussetzungen für eine Refinanzierbarkeit der Produktionen – in Europa traditionell in erster Linie durch die Vergabe territorial abgegrenzter Verwertungsrechte – erhalten bleiben. Ebenfalls scheint erkannt worden zu sein, dass rein individualrechtliche Lösungen, d.h. die Verlagerung der Durchsetzung begrenzter Verwertungsmöglichkeiten auf das Verhandlungsgeschick der einzelnen Lizenzgeber, im Hinblick auf das Machtgefälle zwischen TV-Sendern und kleinen und mittleren Produktionsfirmen keine realistische Schutzmöglichkeit für diese darstellen würden“, sagt Alexander Thies, Vorsitzender der Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e.V.

„Das gestrige Beratungsergebnis ist jedoch nur ein Zwischenschritt. Es bleibt abzuwarten, auf welche endgültige Formulierung sich die Kommission, das Parlament und der Ministerrat verständigen werden. Die Gefahren für die europäische Produktionswirtschaft und die kulturelle Vielfalt von Film- und Produktionen in Europa sind noch keineswegs endgültig gebannt“ so Thies weiter.


Nach Meinung der Produzentenallianz macht tatsächlich erst die Vergabe territorial begrenzter Lizenzen und der hierzu erforderliche Einsatz von Geoblocking-Maßnahmen eine zeitlich und örtlich differenzierte Auswertung audiovisueller Inhalte in verschiedenen Territorien möglich – und stellt somit die Voraussetzung für eine erfolgreiche Wertschöpfung in diesem wichtigen Bereich der Kreativindustrien her, wie wir am 16. Juli 2015 schrieben.

Der Entwurf der SatKab-Online-Verordnung war von der Europäischen Kommission als Teil des Urheberrechtspakets im September des vergangenen Jahres vorgeschlagen worden. Zu diesen Regelungen, die etwa ein erweitertes Weitersenderecht und eine Ausdehnung des sogenannten Ursprungslandprinzips auch auf rundfunknahe Dienste wie beispielsweise Mediatheken von TV-Sendern umfassten, hatte es auch aus dem EU-Parlament in den letzten Monaten eine Vielzahl von Vorschlägen für sogar noch weitergehende Verschärfungen gegeben. Diese hätten eine territoriale Vergabe von Lizenzen im Online-Bereich faktisch unmöglich gemacht. Die Auswirkungen auf unabhängig produzierte Film- und TV-Produktionen wären fatal, da diese auf einer Refinanzierung durch territorial abgegrenzte Lizenzierungen basieren.

Allianz Deutscher Produzenten
– Film & Fernsehen e.V.
Kronenstraße 3, 10117 Berlin
Brienner Straße 26, 80333 München
Web: www.produzentenallianz.de

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Ergebnisse des 3. Kongress Urheberrechtspolitik 2017

Europäisches Haftungskonzept orientiert am Begriff der öffentlichen Wiedergabe
Neue Vergütungsregelung für die grenzüberschreitende Verbreitung von Online-Inhalten

Auf Initiative des Erich Pommer Instituts Potsdam diskutierten am 28. Juni 2017 in der Rudolfhalle von ALEX Berlin namhafte Urheberrechtsexpertinnen und -experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft beim 3. Kongress Urheberrechtspolitik 2017 in Berlin über die Zukunft des Urheberrechts in Deutschland und Europa.

Die Veranstaltung ist das einzige unabhängige Forum zu urheberrechtspolitischen Themen am Medienstandort Berlin-Brandenburg. Der Kongress fokussierte auf Neuregelungen und Entwicklungen der Urheberrechtspolitik und setzte dabei neue Impulse zu einem europäischen Haftungskonzept orientiert am Begriff der öffentlichen Wiedergabe und einem neuen Vergütungssystem bei der grenzüberschreitenden Verbreitung von Online-Inhalten. Den Kongress Urheberrechtspolitik präsentierte das Erich Pommer Institut in Kooperation mit dem Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg, der Senatskanzlei Berlin, der Medienanstalt Berlin-Brandenburg und Alex Berlin; gefördert vom Medienboard Berlin-Brandenburg.

Diskutiert wurde unter anderem die neue Rechtsprechung des EuGH zur öffentlichen Wiedergabe bei Linksetzung. Prof. Dr. Matthias Leistner (LMU München) erkennt darin einen Ansatz für ein einheitliches europäisches Haftungsmodell nicht nur für Linksetzer, sondern auch für andere Provider wie z.B. Internet-Plattformen. Wenn Plattformen oder auch Infrastrukturanbieter mehr Dienstleistungen anbieten als eine bloße technische Infrastruktur (z.B. Inhalte kuratieren und systematisieren), dann komme eine öffentliche Wiedergabe in Betracht und die Plattform unterliege der inhaltlichen Haftung.

Für die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung zu grenzüberschreitenden Online-Sendungen präsentierte Tiemo Wölken (MdEP SPD) einen Vorschlag für ein neues Vergütungssystem. Er sprach sich für die Einführung des Ursprungslandprinzips aus, so dass ein EU- weiter Rechteerwerb erfolgt; im Gegenzug solle aber sichergestellt werden, dass den Rechteinhabern eine separat abzuführende unverzichtbare Vergütung durch die Sender gezahlt wird.

Die Veranstaltung ist Teil der Reihe Kongress Urheberrechtspolitik, die den urheberrechtspolitischen Prozess begleitet und neue Impulse für eine Entwicklung im digitalen Zeitalter ermöglichen soll. Inhaltlich für den Kongress verantwortlich sind die juristischen Direktoren des EPI Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann, LL.M. und Prof. Dr. Ulrich Michel, beide Rechtsanwälte in Berlin. Sie haben den Kongress auch moderiert.

Eröffnet wurde der Kongress mit einem Grußwort von Staatssekretär Björn Böhning (Chef der Senatskanzlei Berlin). Die Keynote mit dem Thema „Das deutsche Urheberrecht: Rückblick auf die vergangene Legislaturperiode – Ausblick in die Zukunft“ hielt Dr. Hubert Weis, Leiter Abt. III Handels- und Wirtschaftsrecht im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Über aktuelle Entwicklungen des europäischen Urheberrechts und daraus entstehende Anforderungen an die nationalen Rechtsordnungen diskutierten:

• Dr. Thomas Ewert, Rechts- und Verwaltungsrat im Urheberrechtsreferat der Europäischen Kommission (Generaldirektion Connect)
• Christopher Clay, Pressesprecher Julia Reda, MdEP Piraten/Grüne/FEA
• Tiemo Wölken, MdEP SPD

Impulse zur Zukunft des Urheberrechts setzten die renommierten Wissenschaftler und die hochkarätigen Branchenprofis:

• Katharina Uppenbrink, Geschäftsführerin Initiative Urheberrecht
• Heiko Wiese, Beauftragter der SPIO
• Prof. Dr. Matthias Leistner, LL.M., Universitäts-Professor für Bürgerliches Recht und Recht des Geistigen Eigentums mit Informations- und IT-Recht (GRUR-Lehrstuhl), Ludwig-Maximilians-Universität, München
• Prof. Dr. Axel Metzger, LL.M., Universitäts-Professor für Bürgerliches Recht und Immaterialgüterrecht, insbesondere Gewerblicher Rechtsschutz, Humboldt-Universität zu Berlin
• Prof. Dr. Gerald Spindler, Universitäts-Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung, Multimedia- und Telekommunikationsrecht, Georg-August- Universität, Göttingen

Erich Pommer Institut gGmbH
Försterweg 2
14482 Potsdam
Web: www.epi.media

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Urheberecht im Bundestag: Gesetzgebung im Schnelldurchlauf.

• Vor- und Nachteile der Auswirkungen hätten besser abgewogen werden müssen!

Nur zwei Tage nach dem oben erwähnten Kongress machte der Deutsche Bundestag am 30.06.2017 Gesetzgebung im Schnelldurchlauf. Im Windschatten zur Abstimmung „Ehe für alle“, die zuvor breit diskutiert worden war, wurden zwei zentrale den Kultur- und Medienbereich betreffende Gesetzesvorhaben quasi nur noch durchgewunken.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde trotz breiten Protestes gerade auch von Seiten der Journalistenverbände verabschiedet. Künftig müssen Internetunternehmen wie Google, Facebook und andere strafbewehrte Inhalte auf ihren Plattformen, die ihnen angezeigt werden, innerhalb kurzer Frist löschen. Geschieht dies nicht, drohen ihnen Bußgelder in empfindlicher Höhe. Dieses Gesetz gibt Internetplattformen weitreichende Befugnisse zur Löschung von Inhalten. Es besteht die Gefahr, dass das eigentlich gut gemeinte Vorhaben sich als Bumerang erweisen könnte.

Im Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz werden einerseits die Schrankenregeln im Urheberrecht, in denen beschrieben wird, welche Nutzungen von Werken ohne Erlaubnis des Urhebers oder von anderen Rechteinhabern erlaubt sind, neu geordnet und teilweise ausgeweitet. Die entscheidende Änderung ist, dass die Möglichkeiten, Bücher zu kopieren oder Werke digital zur Verfügung zu stellen, deutlich ausgedehnt werden.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: "Heute findet am letzten Sitzungstag dieser Wahlperiode Gesetzgebung im Schnelldurchlauf statt. Bei manchen Vorhaben wie dem Urheberrechts-Wissengesellschafts-Gesetz scheint es so, als wolle die Koalition rasch noch ihre Hausaufgaben erledigen. Im Koalitionsvertrag war eine solche Regelung vereinbart worden. Dem nun verabschiedeten Gesetz hätte es allerdings gutgetan, wenn zuvor die Vor- und Nachteile dieser Regelung und deren wirtschaftlichen Auswirkungen ausführlicher abgewogen worden wären. Beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz will die Regierung gegen sogenannte Hate-Speech im Netz vorgehen. Ein ehrenwertes Vorhaben, doch ob das vorgelegte Gesetz tatsächlich helfen wird, ist mehr als fraglich."


Deutscher Kulturrat e.V.
Mohrenstr. 63
10117 Berlin
Web: www.kulturrat.de






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