Skip to content

Der SCHMETTERLINGSJÄGER ein Arthouse Film (UPDATE)

37 Karteikarten zu Nabokov, dem Autor von Lolita.



Es hätte wohl kaum einen besseren Ort für eine außergewöhnliche Filmpremiere über den russisch-amerikanischen Schriftsteller Vladimir Nabokov geben können, als die Akademie der Künste am Hanseatenweg. Früher hatte an dieser Stelle das »Forum des Jungen Films« während der der Berlinale einen seiner zentralen Abspielorte. Inzwischen hat diesen Platz das Arsenal – Institut für Film und Videokunst e. V. im Filmhaus am Potsdamer Platz gefüllt und in der Akademie ist es mittlerweile um die Filmkunst leider recht Still geworden.

Doch am 10. Juli 2014 lud der NFP Filmverleih zur Premiere in das Haus am Tiergarten ein und Jutta Brückner, die Direktorin der Sektion Film und Medienkunst in der Akademie der Künste, stellte das Werk von Harald Bergmann dem geladenen Publikum vor. In einer anschließenden Diskussion mit dem Filmemacher und dem Ko-Autor sowie auch dem als Schauspieler agierenden Philosophen Heinz Wismann, mussten viele offene Fragen zum Film geklärt werden. Glücklicherweise war auch die als Regisseurin bekannte Kamerafrau Elfie Mikesch anwesend, denn deren oft zauberhafte Bilder konnten ebenfalls nicht alle Geheimnisse des Filmes von sich aus entschlüsseln.

Der als Arthouse Werk angelegte Dokumentarfilm enthält zahlreiche Spielfilmszenen und Rückblenden, die mit dem gemeinhin als Lolita Autor bekannten Nabokov Dichter rein Garnichts zu tun haben. Das kompliziert das Verständnis, macht es aber auch geheimnisvoll und sehenswert. Die musikalische Untermalung wechselt zwischen Klassik und technoiden Klängen. Das philosophische Werk über den Sinn des Lebens schildert vieles aus der Sicht von Nabokovs Sohn Dmitri, der bis zu seinem Tod im Jahre 2012 das Werk seines 1977 in der Schweiz verstorbenen Vaters verwaltete und im Film und aus dessen Gedichten zitiert. Sensationslüsterne Zuschauer, die Lolitas sehen wollen, werden allerdings nicht bedient.

Für den Betrachter ist erschwerend, dass der Film keiner chronologischen Handlung folgt. Das Ende des Films ist zugleich der Anfang, obwohl im Laufe der ersten halben Stunde des 135 Minuten langen Werkes eigentlich mehrere Anfänge im Film auszumachen sind, bemerkte auch Jutta Brückner, die offensichtlich sehr beeindruckt - aber wie auch wir - etwas ratlos nach der Vorführung war.

Tatsächlich hat Nabokov, der wie Alexander von Humboldt nicht nur Schriftsteller war, sondern ein großer Forscher und Biologe, der sich zeitlebens der Vielfalt der Schmetterlinge gewidmet hatte und eine große Sammlung mit wunderschönen Exemplaren hinterlassen hat, seine Bücher sehr unorthodox verfasst.



Ebenso wie seine Gedichte ordnete er auch seine anderen schriftstellerischen Werke in Karteikästen, um sie gegebenenfalls zu ergänzen und erweitern zu können. Anders als ein chronologisch arbeitender Autor ist das Entstehen von Nabokovs Werken eher mit der Arbeit eines Künstlers oder Malers zu vergleichen, der irgendwo bei einem Bild in der Mitte seinen ersten Pinselstrich macht und dann je nach Eingebung mal oben oder unten fortfährt. Beim Schreiben der Kapitel seiner Bücher orientierte sich Nabokov an Hand der bereits vorhandenen Karteikästen und ergänzte deshalb mal vorne oder mal hinten seine Geschichten, bis das Buch als Gesamtwerk fertig war.

In 37 Karteikarten - so der Untertitel des Filmes "DER SCHMETTERLINGSJÄGER", der heute, den 17. Juli 2014 in die Kinos kommt und u.a. im Berliner Kant Kino und im russischen Kino Krokodil zu sehen sein wird, ordnet auch der Filmemacher Harald Bergmann seinen Film an. Vielleicht zur Verwirrung des Zuschauers verfolgt zudem die Handlung zugleich dem Leben des Sohnes, der als großer Rennfahrer sportliche Autos liebte und den Spuren seines Vaters folgend die Schweizer Serpentinen entlangfährt, während er dabei aus den Gedichten seines Vaters zitiert und außerdem - dem Philosophen Augustinus folgend - über den Sinn des Lebens nachdenkt. Es braucht eine Zeit, ehe man dem Gesamtkunstwerk folgen kann. Zum besseren Verständnis sollte man zuvor vielleicht andere Filme Bergmanns ansehen, der im ähnlichen Stil sich bereits mit Hölderlin befasst hatte.

Massenkompatibel ist das Werk nicht, aber für Freunde der Filmkunst jedoch sicherlich ein Kleinod, das uns als besonders wertvoll erscheint.

Der SCHMETTERLINGSJÄGER - 37 Karteikarten zu Nabokov
Ab 17. Juli 2014 im Kino
Link: bergmannfilm.de/films/der-schmetterlingsjaeger

NACHTRAG:
Harald Bergmanns Hölderlin-Passion
Der KulturRaum Zwingli-Kirche bietet an drei Tagen im Juli ein besonderes Erlebnis für Film-Literatur- und Musikbegeisterte. Der Filmemacher und Grimme-Preisträger Harald Bergmann hat sich ein Jahrzehnt mit Hölderlins Leben und Texten beschäftigt. So entstanden drei abendfüllende Filme unterschiedlicher Stilart, die versuchen, den dichterischen Prozess cinematographisch nachzuvollziehen. Die insgesamt fast fünf Stunden Filmzeit der Trilogie sind auch bewusst als Exzess gemeint, der der Dimension des dichterischen Unternehmens am ehesten nahe kommt. Der Soundtrack zum Film HÖLDERLIN COMICS wird am 26.7.2014 sogar live in der Zwinglikirche zu erleben sein.

Die Filmvorführungen der Videos finden vom 25. bis 27. Juli 2014 jeweils um 20:30 Uhr im KulturRaum Zwinglikirche am Friedrichshainer Rudolfplatz statt.
Vorbestellungen unter Tel.: 030 - 29005996
Link: www.hoelderlin-film.de

Anzeige